Samstag, den 11.10.2014 – Europaweiter Protest! Hunderttausende begaben sich am Samstag gegen die geplanten Freihandelsabkommen auf die Strasse. Friedlich und durchweg in guter Stimmung bewegten sich die Hanseaten vom Besenbinderhof quer durch die Innenstadt zum Gänsemarkt. In Hamburg schob der BUND auch noch das symbolträchtige, 8 Meter hohe trojanische Pferd durch die Demo. Vorher war es schon in Berlin im Einsatz und es wird weiter galoppieren. Sogar Budapest ist für den aufblasbaren Gummigaul geplant.
Worum geht’s? Mehrere geplante Handelsabkommen fühlen sich bedrohlich an, weil die Verhandlungen nicht transparent sind. Zivile Verbände, Umweltschützer, Bürgervertreter werden in die Verhandlungen nicht mit einbezogen. Hinter verschlossenen Türen verhandeln EU- Kommission mit US-Regierung und Kanada über:
Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union verhandeln über eine neue Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, ein Freihandelsabkommen mit dem Ziel, Standards und Verordnungen auf beiden Seiten des Atlantiks zu “harmonisieren”, um beiderseits die Profite zu erhöhen. Diese Pläne sind jedoch in Bezug auf die Schaffung einer nachhaltigeren, gesünderen Lebensmittelversorgung in Europa und den Vereinigten Staaten kritisch zu betrachten. Im Mai 2013 sandten über 20 Agrarindustrieverbände – vornehmlich aus der Fleisch-, Molkerei- und Getreideindustrie – Stellungnahmen an das US-amerikanische Handelsministerium (USTR), in dem sie nochmals ihr klares Interesse am TTIP bekundeten. Die Agrarindustrie drängt auf beiden Seiten des Atlantiks darauf, Verordnungen aufzuweichen, die der Gewinnmaximierung im Wege stehen. All dies geschieht auf Kosten der Lebensmittelsicherheit und -qualität, der Bäuerinnen und Bauern, der Viehzüchter, der der artgerechten Tierhaltung und der Verbraucher/-Innen. Es ist besonders bedrohlich für diejenigen kleineren Unternehmen im landwirtschaftlichen Bereich und im Bereich der Fleischveredelung, die schon lange entsprechend der strengen Biorichtlinien der Verbände wirtschaften.
10 Gründe das TTIP zu stoppen:
1. Die US-Fleischverarbeitungsindustrie möchte die EU dazu drängen, ihr Fleisch zur Abtötung schädlicher Bakterien mit Chemikalien zu behandeln – und zwar mit dem Einsatz von Chlor bei Geflügel und anderer organischer Säuren (beispielsweise bei Schweinefleisch). Der Nationale Rat für Schweinefleisch (National Pork Council) möchte die EU zu einer Zulassung für die Behandlung von Schweinefleisch mit Milchsäure drängen, ähnlich wie bei der EU-Zulassung für die Milchsäure-behandlung bei Rindfleisch, die im Februar 2013 erteilt wurde.
Die Zulassung wurde mit der Erwartungshaltung erteilt, dass die europäischen Rindfleischexporte in die USA aufgrund der steigenden US-Nachfrage für Rindfleisch ansteigen würden, aber die Nachfrage nach Rindfleisch ist in den USA, wie auch bei uns rückläufig.
2. Die US-amerikanische Fleischindustrie möchte das Nutzungsverbot für Antibiotika als Wachstumsförderer aufheben. Achtzig Prozent der in den USA verkauften Antibiotika werden im Bereich der Tierhaltung verabreicht, einschließlich deren Nutzung als Wachstumsförderer. Im Jahr 2013 gab das Zentrum für Seuchenkontrolle und Prävention (Center for Disease Control and Prevention, CDC) bekannt, dass die jährliche Todesrate aufgrund von Antibiotikaresistenz bei mindestens 23.000 Menschen liegt. Die USA und die EU sollten eher dafür Sorge tragen, dass Standards, die die Nutzung von Antibiotika im Ernährungssystem verbieten, gestärkt werden, anstatt deren Verbreitung durch das Freihandelsabkommen zu fördern.
3. Die US-Fleischindustrie möchte, dass die EU ihr Ractopamin-Verbot zurückzieht. Hierbei handelt es sich um ein Medikament, das im Bereich der Asthma-Behandlung gescheitert ist und nun bei Tieren als Wachstumshormon verabreicht wird, vornehmlich bei Schweinen. Es ist in 160 Ländern verboten. Der Nordamerikanische Fleischverband (North American Meat Association), der Nationale Rat für Schweinefleisch (National Pork Council), das US-amerikanische Fleischinstitut (American Meat Institute) sowie andere Lobby-Gruppen der Industrie drängen die US-Regierung dazu, weiterhin Druck auf die EU auszuüben, um das Ractopamin-Verbot, zurückzuziehen.
Ractopamin ist in vielen Ländern aufgrund seiner grausamen Auswirkungen auf die Tiergesundheit verboten. Es schüttet Stresshormone aus, kann die Tiere in enorme Stresssituationen versetzen und bis zum Tode führen. Außerdem besteht der besorgniserregende Verdacht, dass der Verzehr von Ractopamin-Fleisch zu unerwünschten Nebenwirkungen bei der Asthma-Behandlung mit anderen Medikamenten führen kann.
Der „internationale Standard” der Industrie bezieht sich auf die extrem kontroverse Abstimmung beim internationalen Standardverfassungsorgan Codex Alimentarius. Dieses Gesetz wurde durch eine knappe Mehrheit von zwei Stimmen von insgesamt mehr als 180 Regierungsmitgliedern verabschiedet, und basierte auf sechs Studien, welche wiederum allesamt von Ractopamin-Herstellern durchgeführt wurden. Wenn das CETA durchgewunken wird, dann steht zu befürchten, dass die Industrei diesen Codex nutzen wird um alle ihre Ziele durchzuboxen, per Gericht.
4. Die Getreideindustrie der USA möchte, dass Zulassungen für neue GVO- Saatgutsorten die für Futtermittel in der EU genutzt werden, schneller erteilt werden. Verbände der Saatgut- und Getreideindustrie der USA wie der US-Getreiderat (U.S. Grains Council), möchten schnellere Zulassungen von gentechnisch veränderten (GV) Pflanzen, die als Futterpflanzen in die EU importiert werden, als es die momentanen Rahmenbedingungen der EU erlauben. Jede neue GV-Pflanze benötigt in der EU eine eigene Importzulassung als Lebens-und Futtermittel. Neue GV-Pflanzen jedoch, die in den USA und andernorts entwickelt werden, verfügen über mehrere Eigenschaften in einer Pflanze (stacked genes). Die Industrie möchte, dass diese GV-Pflanzen mit kombinierten Eigenschaften gleichzeitig und zudem sehr viel schneller zugelassen werden. In den USA hat man allerdings große Probleme mit diesen Pflanzen und den dazu entwickelten Herbizieden. Die Unkrautvernichter helfen mittlerweile schon bei 25% der US Landwirtschaft nicht mehr. Man spricht von superweeds, Unkraut das resistent ist gegen Vernichtungsmittel.
6. Die EU möchte Beschränkungen für Fleisch,welches aus den Nachkommen geklonter Tiere produziert wurde, durchsetzen. Die Fleisch- und Molkereiindustrie der USA sind gegen solche Beschränkungen. Das handelspolitische Problem bei Produkten aus Nachkommen geklonter Tier ist als solches gravierend und birgt ein gefährliches Potential negativer Auswirkungen der US-Exporte in die EU. Der Nationale Molkereiverband und der Exportrat der USA für Molkereiprodukte. Der Nationale Molkereiverband und der Exportrat der USA für Molkereiprodukte behaupten, dass dieses Gesetz schwierig umzusetzen sei und nicht in Betracht gezogen werden sollte, da weder die EU noch die USA überein etwaiges Rückverfolgbarkeits-System für die Nachkommen geklonter Tiere verfügten.
9. Die US-amerikanische Agrarindustrie würde das TTIP-Abkommen gern dazu nutzen, um das “Vorsorgeprinzip” der EU, zu untergraben. Der US-amerikanische Rat für Schweinefleischerzeuger (U.S. National Pork Producers Council) sowie andere Verbände möchten, dass die EU die Lebensmittelsicherheitsstandards der USA als gleichwertig anerkennt, so dass EU-Standards für Tierschutz oder sogar für „neu aufkommende oder nicht vorhersehbare technologische Entwicklungen” nicht genutzt werden können, um US-Exporte zu blockieren. Das US-amerikanische Fleischinstitut (American Meat Institute) bemerkt dazu: Die regulativen Rahmenbedingungen der beiden Volkswirtschaften weisen strukturelle Diskrepanzen auf, da sie sich auf Lebensmittelsicherheit und landwirtschaftliches Risikomanagement beziehen. Dieses Problem muss durch die TTIP-Verhandlungen gelöst werden, um ,das Wirtschaftspotential dieser Beziehung voll auszuschöpfen. Die beiden offensichtlichsten Beispiele dieser regulatorischen Diskrepanz sind, dass sich die EU bei der Bewertung innovativer Technologien und deren Akzeptanz durch kulturelle Präferenzen (oder „anderer legitimer Faktoren”) auf das „Vorsorgeprinzip” als Grundlage für die Schaffung von Verordnungen stützt.
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