Ich bin das Land. Meine Augen sind der Himmel. Meine Glieder sind die Bäume. Ich bin der Fels, die Wassertiefe. Ich bin nicht hier um die Natur zu beherrschen oder zu nutzen. Ich bin selbst Natur…
Mit dieser Weisheit der Hopi-Indianer untertitelt Martin Ott eine Geschichte über die desolaten Muster der Kuh-Vergewaltigung in seinem Buch „Kühe verstehen“. Die Kuh, die doch wie kein anderes Tier unsere Böden pflegt, uns Nahrung sichert, uns so viel gibt, wird kontinuierlich mit der Masse degradiert zum Klimakiller. Mit Kraftfutter wird sie hochgetunt, um sie dann bis zum letzten Tropfen Milch auszuquetschen bis sie völlig ausgelaugt in kurzer Zeit beim Schlachter landet. Ihr Kalb geht dabei meist leer aus. Dieses so mütterliche Lebewesen wird überhaupt nicht mehr gebührend gwertschätzt.
Martin Ott ist schweizer Bio-Landwirt und Kuh-Philosoph. In seinem Buch beschreibt er entsetzliche Auswüchse heutiger Milchviehhaltung. Um noch schneller an die Milch zu kommen züchten wissenschaftliche Zuchtverbände schon lange die Kuh nach Maß. Form und Stärke des Schließmuskels werden dabei zur bestmöglichen Fließgeschwindigkeit gebracht. Das hat zur Folge, dass alle Körperöffnungen der Kuh vergrößert werden. Der bekannte Agrarwissenschaftler Prof. Onno Poppinga bestätigt das: „In dem Bestreben, die Melkgeschwindigkeit zu beschleunigen sind die Zuchtverbände aber weit über ein vernünftiges Ziel hinausgeschossen. Tatsächlich ist es so, daß Kühe, die sehr schnell die Milch abgeben, anfälliger für Euterentzündungen sind. Verursacht ist diese Situation vor allem durch die wissenschaftliche geleitete Zucht der Rinderzuchtverbände ;ihr Ziel ist eine Kuh, die große Mengen an Milch erzeugt und die sich sehr schnell von der Melkmaschine entziehen läßt. Die Milchbetriebe haben auf diese Strategie so gut wie keinen Einfluß, aber das Problem, wenn die Kuh krank wird.“
In seinem Buch beschreibt Martin Ott wie es besser geht. Wie das Kalb sich an den Zitzen seiner Kuh-Mutter nährt, ganz natürlich und wie auch der Bauer noch Milch von ihr bekommt. Warum es genau so sein muss und warum er und andere Bauern mit dieser Landwirtschaft genau richtig liegen. Eine Kuh braucht ihre Hörner für ihren Stand in der Herde, für ihre Kommunikation und wahrscheinlich auch für ihre Verdauung, denn die Hörner bei einem Kalb fangen in dem Moment an zu sprießen, wo das Kalb Gras frisst.
Martin Ott beschreibt spannend und interessant was eine Kuh so beschäftigt. Dabei beruft er sich auf seine Erfahrungen und genaue Beobachtungen. Manches davon lässt sogar Rückschlüsse auf menschliches Sozialverhalten zu, z.B. die Stellung der Kuh in ihrer Herde, welche Kuh zur Freundin auserkoren wird und warum ein Bulle auf der Weide für Ordnung sorgt. Es liest sich flüssig, die Erkenntnisse sind ausgesprochen hilfreich und führen in jedem Fall zu interessanten Denkanstößen.
Ott schrieb das Buch 2012. Prof. Bernhard Hörning erläutert im Kritischen Agrarbericht über Tiergesundheit von 2014 die wissenschaftlichen Auswirkungen wenn wir weiter wirtschaften wie bisher. Hörnings Fachgebiet ist Ökologische Tierhaltung und Entwicklung. Bei einer artgerechten, gesunden Tierhaltung braucht man erwiesener Maßen wesentlich weniger Antibiotika. Gesunde Tiere sind auch für uns gesünder und für unsere Umwelt. Auch für Verbraucher ist das Buch durchaus lesenswert, zumal wir nur alle gemeinsam der Kuh und anderen Nutztieren wieder zu ihrem naturgemäßen, angemessenem Leben zurückverhelfen können.
Die Tierbilder sind aus dem Buch „Kühe verstehen“ und stammen von dem Fotografen Philipp Rohner
Tags: Kühe verstehen manipulierte Zitzen