
Amüsantes PingPong bot sich den Gästen der Zeit-Matinee am Sonntag Vormittag in den Hamburger Kammerspielen. Zeit Herausgeber Josef Joffe, links im Bild, schlug auf, mit Zweifeln an der Macht des EU Parlaments. Lässig sliced EU Präsident Martin Schulz den Ball zurück: „Das Europa Parlament liefert schnelle Entscheidungen, ich erklär‘ Ihnen das mal: Die Kommission liefert schnelle Vorlagen. Wenn ein Staat wie Ungarn den Solidaritätsgedanken in Frage stellt, dann steht im europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs erstmal die Maschine still, denn dort herrscht das Einstimmigkeitsprinzip. Deshalb sind Institutionen die durch Mehrheit Entscheidungen liefern können besser. Das ist der Widerspruch zu Ihrer These das Europa-Parlament ist nicht so stark, im Gegenteil! Und wir müssen begreifen, dass wir die Flüchtlingsbewegung, diese globale Herausforderung, bestens beantworten indem wir die geostrategische Rolle, die Europa insgesamt wahr nehmen müsste, in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen, dann wären wir einen Schritt weiter.“
Roman Pletter, stellvertretender Zeit Ressortleiter Wirtschaft, kontert: „Sie haben am Donnerstag in Luxemburg beschlossen in Europa gemeinsam die Grenzen dicht zu macht. Zwar soll es Aufnahmelager geben von denen auch Flüchtlinge verteilt werden sollen, aber Frontec soll aufgerüstet werden, was sagt das Parlament dazu?“
Schulz pariert: „Wenn Sie die Organe der EU, Ministerrat und Parlament, handeln lassen, kriegen wir schnelle Ergebnisse. Ich will nicht, das Viktor Orban mit einem Veto den Zug aufhalten kann. Ich will, das wir die Außengrenzen der EU effektiv schützen. Wenn Sie nämlich die Innengrenzen aufheben, schaffen Sie Außengrenzen. Wenn diese Außengrenzen nicht geschützt werden, dann haben Sie eine Unordnung die am Ende zu etwas führt was ich nicht will, nämlich dass Flüchtlinge den Preis dafür bezahlen.“ Joffe: Schützt er nicht die Außengrenzen der EU? Schulz: Nee, Orban zieht ’nen Stacheldraht und das führt zur Verdrängung der Flüchtlinge in andere Länder, er macht sich nen schlanken Fuß.“
Schulz erklärt sehr ernst wie wichtig das Gebilde der EU für den Frieden ist und das es nach wie vor ständiger Pflege bedarf, weil es grade in der momentanen Situation mit der Türkei und dem unberechenbaren Putin sehr sorgfältig beobachtet werden muss. Es ginge nicht mit und momentan aber auch nicht ohne Assad, man müsse mit ihm reden. Es sei schlimm, dass man es bei der Diplomatie der letzten 20 Jahre versäumt hätte, Diktaturen zu ersetzen durch demokratische Regierungen. Man müsse auch bedenken, dass die politischen Verfolgten von heute die demokratischen Regierungen von morgen sind.
Schulz: „Europa ist nicht nur ein Institutionengefüge, sondern die Idee der transnationalen Demokratie im 21. Jahrhundert. Es ist die Idee, die Dämonen des 20. Jahrhunderts zu bannen, dadurch dass der Ultranationalismus, der Europa in zwei Katastrophen geführt hat, abgelöst wird, ersetzt wird durch die gemeinsame Idee.“
Schulz will mit Cameron reden, an der Gemeinschaft unbedingt fest halten und einen Austritt Großbritanniens verhindern, weil seiner Meinung nach dabei alle nur verlieren können.
TTIP sprach er leider nur kurz an. Es müsse da noch viel verbessert werden, ebenso bei der Datensicherheit. Diese unkontrollierte Weiterverwendung von personenbezogenen Daten, durch Behörden der Vereinigten Staaten von Amerika, muss verändert werden. Den Grundrechteschutz, den individuellen Schutz – das was wir individuelle Selbstbestimmung des Bürgers nennen, das muss gewährleistet werden. Die Komission muss eine Initiative erreichen. Bei dieser Initiative muss gewährleistet sein, dass der Bürger, oder die Bürgerin weiß, wer bekommt meine Daten und wie verwendet er meine Daten, und die amerikanischen Konzerne müssen akzeptieren, dass sie eine Nachweispflicht über die Verwendung der Daten haben, und im Falle des individuellen Widerspruchs, muss sichergestellt sein, dass dieser Widerspruch eingehalten wird. Wenn das nicht der Fall ist, dann werden wir mit Google und Facebook und Whatsapp und wie sie alle heißen, Klartext reden müssen; was ich übrigens seit langer Zeit behaupte, Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts, erläuterte der Präsident ausführlich.
Schulz ist eine rheinische Frohnatur. Er scherzt gerne, singt aus Leidenschaft und nervt seinen Fahrer auf den Strecken von A nach B mit Chansons von Edith Piaf. Er ist smart und kurzweilig, die Zeit verging wie im Flug. Nach zwei Stunden und einem kurzen TV-Interview entschwand der EU – Boss wieder nach Brüssel.
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