Die größte Diskrepanz zwischen Musik und Kunst ist die Steigerung: Musik kann man lauter drehen, ein Kunstwerk ist constant laut oder leise. Mit dem
zeitgenössischen Blick auf das Crossover von Kunst und Musik eröffnen sich dem Betrachter ganz andere Perspektiven. Für die neue Ausstellung „HYPER“ in den Hamburger Deichtorhallen, haben der Musikjournalist Max Dax, und der Intendant der Deichtorhallen, Dirk Luckow, aus einem weltweiten Angebot 300 Werke von 60 Künstlern kuratiert. Wobei Hyper für Kunst, Musik und Hamburg steht, erklärt Dax. Hyper, Hyper ist der erfolgreichste Song der Hamburger Elektroband Scooter. Die Band hat den Künstler Albert Oehlen in seinem Schaffen stark inspiriert: „Mich beeindruckte, wie Scooter die Idee der Party Miliz, die bei DAF noch ein futuristischer Vorschlag war, in die Tat umgesetzt haben. Da war keine Ironie und nichts um die Ecke gedacht. Das habe ich als neu empfunden und es hat mich an Jeff Koons und Damien Hirst erinnert.“
Die Ausstellung beginnt 1989, zu der Zeit hat Max Dax in Kiel Acid House aufgelegt, Drogen Musik sagt er, und er
habe sich damit total in der Zeit der Gegenwart gefühlt. In den Deichtorhallen greift der Zeitgeist aber viel weiter zurück und auch um sich. Manch ein Besucher erinnert sich vielleicht noch an den Berliner Club Berghain. Der Künstler Sven Marquardt fing die Aura schon früh mit der Kamera ein und wurde damit berühmt. Ein Spalier aus neun hochformatigen Portraits des „Rudels“, die sogenannten damaligen Türsteher dieses angesagten Techno Schuppens, begrüßt die
Besucher gleich am Anfang der Kunstmeile für Augen und Ohren. Rutherford Chang überrascht mit einem kompletten Plattenladen, ausgestattet mit 2173 Exemplaren des 1968 erschienen White Albums von den Beatles. Alles Unikate insofern, weil alle eine eigene Nummer haben. Wer Lust hat, kann rein hören und die gute Laune zusätzlich pimpen, mit „Obla die Obla da“, „Back in the UDSSR“, „Glass Onion“ oder anderen Songs. Deutlich bunter geht es an der Wand schräg vis a vis weiter, mit dem
dysfunktionalen Billboard für Technique, vom britischen Grafikdesigner Peter Saville. Als Art Director des Labels „Factory Records“
entwirft er alle Plattencover für Joy Devision und später dann für New Order. Dabei geht er so autark vor, dass die Bands erst beim Erscheinen des Covers sehen was dabei herausgekommen ist. Sein radikales Design lässt dabei sogar zuweilen die Namen der Bands weg.
Mit diesen konzwptionellen Ideen soll er einige Künstler maßgeblich beeinflusst haben. Er selbst sieht sich dabei nicht als Künstler, sagt über seine Arbeit von 78-93 sogar: „Die Platten und ihre Cover sind Kunst in Massenanfertigung.“ Was in der Kunst Approbation heißt, heißt in der Musik Sampling. Im Dialog zwischen Kunst und Musik entstehen neue Regeln, die sich jedem Besucher mit etwas Empathie ganz einfach erschließen, so der Kurator Max Dax.
Es ist keine akademische Ausstellung, vielmehr hat jedes Werk irgendwie seinen eigenen Soundtrack, so wie das von Emil Schult gemalte Autobahn-Cover der Düsseldorfer Gruppe Kraftwerk, oder die eigentlich für Shoppingcenter konzipierten Powerbanks
von Britta Thie. Die Künstlerin verweist mit dem bewusst ästhetischen Mobiliar auf die zunehmende Verschmelzung von Konsum- und Digitalraum. In der hängenden Hörskulptur „Mannheim Chair“ von Michaela Melian, sind die Stücke Speicher 1-5 (2008) zu hören, die die Künstlerin im Siemens Studio aufgenommen und produziert hat. Melian ist Gründungsmitglied der Band Freiwillige
Selbstkontrolle. Freiwillige Selbstkontrolle gündete sich als Art-School-Band 1980. Mit dem Stück „Ein Haufen Scheiß und ein zertrümmertes Klavier“, das 2015 im Haus der Kulturen der Welt uraufgeführt wurde, tritt das Quintett am Eröffnungsabend in den Deichtorhallen auf und zerkloppt dabei ein Klavier, eine Huldigung an die Zeiten, als die Power-Bands pro Auftritt noch eine E-Gitarre kaputt spielten.
F.S.K. versteht die Aktion als Zitat. Instrumentenzerstörungen wurden von Tristan Tzara proklamiert, im Rahmen von Fluxus-Aktionen exekutiert, wanderten in die Rockmusik ein und wurden etwa von Jimi Hendrix mit Gitarren zelebriert. Kulturgeschichtlich zog das Klavier gerne in gewisse Haushalte ein, als Repräsentant einer gediegenen Bürgerlichkeit. Die skulpturale „Schönheit“ des zerlegten Instrumentes kann auch als eine Hommage an seine Rolle in der Musikgeschichte begriffen werden, heisst es im Begleittext.
Weitere Konzerte und Performances gibt es mit Asmus Tietchens, Andre Vida, Henning Strassburger & dem Blasorchester des jungen Ensembles Berlin in einer Kooperation sowie mit einer Kooperation mit den Symphonikern Hamburg mit Martha Argerich statt. Dazu gibt es Hyper Sounds in der Elbphilharmonie, drei Wildcards, also drei aus der Lameng frei gestaltete Abende….
Die Auststellung Hyper läuft bis zum 4.August in den Hamburger Deichtorhallen, Link: www.deichtorhallen.de/ausstellung/hyper
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