Mitten in dem Dorf Lentförden, in Schleswig Holstein bei Hamburg, liegt der Hof von Anette und Hans Möller. Hans Möller ist hier groß geworden. Seit vier Generationen bewirtschaftet seine Familie das Land und versucht das Beste da heraus zu holen. Dabei orientiert er sich zunehmend an dem Wissen seiner Vorfahren: „Ich habe z.B. viele Saatkrähen hier, die nehmen die Fliegenmaden aus den Kuhfladen und lockern ihn auf. So kommt Sauerstoff an den Boden, das Gras kann durch wachsen und es entstehen wunderbare, sogenannte Geilstellen.“ Böden werden in Deutschland nach Bodenpunktzahlen beurteilt, in einer Skala von 1-100; 100er Böden sind die reichhaltigsten. Sie werden auch als Bördeböden bezeichnet. Davon gibt es nicht viele in Deutschland. Hans Möllers Böden bewegen sich um die Zahl 14 herum. Er muss also viel Sorgfalt anwenden, um seine Kurzrasenweide so reichhaltig wie möglich zu gestalten: „Wichtig ist, dass der Boden lebt, deswegen spritze ich auch nicht. Das Glyphosat tötet alles. An den schwarzen Löchern sieht man, dass hier Regenwürmer zu Gange sind. Sie lockern die Erde auf, so wachsen viele verschiedene Pflanzen auf dieser Weide.“ Das finden natürlich auch seine Kühe gut, die ganzjährig in Freilandhaltung verbringen. Es ist eine Milchkuhherde, 25-30 Kühe von denen aber nur 20-22 gemolken werden. Der Rest ist grade im Mutterschutz. Es sind schwarz-bunte Niederungsrinder. Sie gelten als gefährdet, weil die hochgezüchteten Holstein Friesian ihnen bei der Milchproduktion den Rang abgelaufen haben. Hans Möller hatte früher auch HF-Rinder. Nun bevorzugt er die alte Rasse und entwickelt eine Herdbuchzucht mit ihnen: „Sie geben nicht so viel Milch, aber sie sind widerstandsfähiger. Wir verzichten bewusst auf Milchertrag für die artgerechte Haltung. Die Kälber trinken teilweise bis zu 10 l am Tag, doch seit wir die Kälber mit Ammen groß ziehen, kommt der Tierarzt kaum noch zu uns.“
Seit 2 Monaten sind die Möllers nun sogar dabei auf die muttergebundene Kälberaufzucht umzusteigen. Ihre Leitkuh „Mausi“ darf als Erste ihren „Sohn“ bis zum 3. Monat alleine aufziehen. Es ist das fünfte Jungtier, welches sie den Möllers geschenkt hat.
Ein aufgewecktes Kalb dem noch ein Name fehlt. Mausi ist schon 8 Jahre alt; so viele Jahre überstehen die Kühe nur in ökologischer Haltung. In der industriellen Milchviehhaltung sind die meisten Tiere nach 5 Jahren schon völlig ausgelaugt und kommen dann schon zum Schlachter. Dabei können Kühe bei guter Pflege gut 20 Jahre alt werden.
Möllers Kühen geht es richtig gut. Sie dürfen ihre Hörner behalten. „Das fördert ein gesundes Sozialverhalten,“ sagt Hans Möller. Gerret, der Bulle, steht auf der Weide und sorgt für Ruhe. Er passt auf, dass alle sich ordentlich benehmen und er achtet darauf, dass keine Gefahren drohen. Zwischendrin toben die Kälber herum. Von ihren Müttern lernen sie früh wie sie sich in der Herde zu verhalten haben. Auch gräsen, oder wie sie andere Leckerbissen zu sich nehmen, zeigen ihnen ihre Kuh-Mütter. Zur Entwöhnung von der Mutter und zur Gewöhnung an den Menschen verwöhnt Hans Möller die Kleinen ab und zu mit Hafer und Ackerbohne. Der Rest der Herde bekommt monatlich etwa 20 kg Mineralien aus dem Leckeimer dazu und ab Juni füttert er sie 2 x täglich zusätzlich mit selbst gemachtem Heu. „Silage ist zu sauer. Kühe haben empfindliche Mägen, wenn die PH Werte im Futter zu hoch sind, werden sie schnell krank. Außerdem schmeckt die Milch so besser.“ Er spart natürlich auch eine Menge, weil er kein Kraftfutter dazu kaufen muss. Die Milch von behornten Kühen soll zudem gesünder sein, weil sie noch mehr Mineralstoffe enthält. 2012 haben Möllers zusammen mit einigen anderen Landwirten die Meierei Horst gekauft. Eine tolle Aktion mit der sie der Milchindustrie ein Schnippchen geschlagen haben. Sie und die anderen Landwirte wollten wieder selbstbestimmt wirtschaften und sich nicht weiter dem Druck der Agroindustrie aussetzen.
Ein Teil von Ihnen, die Ökomelkburen, produziert rein ökologisch. Für Ihre Vierjahreszeitenmilch haben sie sogar einen Designpreis bekommen. Milch und Jogurt schmecken nach mehr, sahnig! „Die Milch wird pasteurisiert, also nur auf 72 Grad erhitzt. Das ist natürlich eine besondere Herausforderung an uns. Wir müssen sie schneller absetzen. Sie ist nur 10 Tage haltbar, dafür aber besonders gehaltvoll.“ Entsprechend dem Futter der Jahreszeiten schmeckt die Milch immer etwas anders. In einem Kühltank auf dem Hof steht sie noch als Vorzugsmilch, immer auf 5 Grad gekühlt. Die schmeckt noch gehaltvoller, muss aber innerhalb von 92 Stunden verbraucht werden. Dafür ist sie vollkommen natürlich. „Das ist ein Jungbrunnen, der die Zellen erneuert,“ meint Hans Möller.
Der Hof ist breit aufgestellt. Zur Milchwirtschaft gehört noch eine Pension, der Ferienhof Möller. Das Landwirt-Ehepaar ist patent. Während Anette Möller sich um die Pension kümmert, die Gäste, den Hofladen und um die Vermarktung, tüftelt Hans Möller ständig an Verbesserungen. „Im Moment ist grade eine Fußbodenheizung für unsere Heuballen in Arbeit. Darauf sollen die Ballen über Nacht getrocknet werden und im Winter kommt da Stroh drauf,
dann können sich die Kühe da drauf legen und man muss nicht so häufig ausmisten. Es trocknet ja von unten.“ Als Abgrenzung nimmt er alte Leitplanken, der Spaltenboden stammt von alten Betrieben – ein cleveres Recycling! Doch am besten gefällt die glückliche Mausi, die mit ihren ‚Kolleginnen‘ jetzt ihre Kälber selber aufziehen darf. „Die weitgehend artgerechte Kuhhaltung zahlt sich für uns aus, wir haben wesentlich weniger Nebenkosten als vorher,“ sagt Hans Möller.
Die muttergebundene Kälberaufzucht kann ganz unterschiedlich ausgeübt werden. Manche Landwirte lassen die Kälber morgens und abends eine Weile zu ihren Müttern, manche lassen sie vor dem Melken bei ihren Müttern trinken, andere nach dem Melken und manche auch gleichzeitig. Eine knappe Stunde täglich mindestens brauchen Kuh und Kalb täglich zum kuscheln, beschnuppern und zum kennen lernen, dann ist der Gesundheitseffekt für das Kalb garantiert. Auch ihre Mütter sind wesentlich zufriedener und entspannter. Hans Möller lässt sie den ganzen Tag zusammen auf die Weide. Die Trennung nach 3 Monaten wird dann allerdings eine große Herausforderung, denn dann haben die Beiden sich schon richtig aneinander gewöhnt und Kühe sind familienorientiert, ihr Leben lang.
Ergänzung: Stiftung Waren-Test zu Milch
Quellen: Das Thünen Institut; Demeter und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau Muttergebundene Kälberaufzucht; Kühe verstehen, Ott
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