oder spring einfach hinein, ins Revival der Happy Sixties, mit Nierentischen und Tulpenlampen. Sogar Petticoats findet man in hippen Ecken hie und da schon wieder, nur Käseigel fehlen noch. Pumps waren natürlich nie ganz out. Doch ist es wirklich ein comeback? Leben die »Sixties«
wieder auf? Ist britische Pop Art aktuell? Betrachtet man die Konsumreflexion, die Gefahren der Macht- und Atompolitik, Kriegsgedanken, Flüchtlinge oder die Befragung von Geschlechterrollen, dann gut möglich. Die Themen der Pop Art aus Großbritannien, die nach dem Zweiten Weltkrieg Kunst und Medien ebenso wie Kunst und Leben verbanden, formen auch heute wieder Schlagzeilen. Dazu noch die Anschläge der Isis, der Klimawandel, Diskussionen um die Ernährung in Zukunft, Massentierhaltung und, und, und… Noch nie war eine Zeit so durcheinander, erschien so bedrohlich wie jetzt. Springt die Kunst zurück in Ermangellung eines Neuen? Oder beruhigt das Alte so schön, dass man zurückspringt? Mit ästhetischen, klassischen Formen, fröhlichen Farben und irrwitzigen Möbelkreationen, Pop-Art eben…
PM Kunstmuseum Christiane Heuwinkel:
Hat die im Gegensatz zur US-Variante mehr aufgeraute und vielschichtigere Ästhetik der britischen Pop Art nichts von ihrem besonderen Appeal verloren. Jenseits von Oberflächenreizen werden hier immer wieder große Fragen wie die Rolle der Medien oder des Menschen in der Konsumgesellschaft verhandelt. Die geballte Ladung dieser Ära von „Swinging London“, 60 Jahre nach Richard Hamiltons Multimedia-Installation „Fun House“, realisiert für die Ausstellung „this is tomorrow“ in London, verbindet die ambitionierte Großausstellung THIS WAS TOMORROW im Kunstmuseum Wolfsburg in einer multimedialen Inszenierung Malerei, Skulptur, Collage, Architektur, Zeichnung, Installation, Film, Musik und Fotografie zu einem einzigartigen Panorama der Pop Art in Großbritannien–zum ersten Mal seit Uwe M. Schneedes Präsentation „Pop Art in England“ 1976 im Kunstverein in Hamburg.
Was konkret ist kulturhistorisch neu und anders an dieser Ausstellung? Der intensive Blick auf weibliche Akteure der Pop Art, der starke Fokus auf die eng mit der Kunstszene vernetzten, zukunftsweisenden Architekten Alison und Peter Smithson, Cedric Price und Archigram, ferner die dezidierte Einbeziehung von musik, Zeitschriftenkultur, Fernsehen und Film als gleichwertigen Medien weiterer Grenzüberschreitung sowie der erweiterte Zeitrahmen:
Der Bogen der Ausstellung spannt sich von Eduardo Paolozzis frühen Pariser Collagen von 1947 bis zum Höhe-und Endpunkt des „Swinging London“ 1968.
This Was Tomorrow. Pop Art in Great Britain 1947 – 1968 – Die Ausstellungsarchitektur macht all dies räumlich spürbar. Atmosphärisch dichte Innenräume spiegeln die intensiven Zusammenkünfte der Künstler und die Tristesse der englischen Nachkriegskapitale sowie die ersten zukunftsweisenden Kunst-und Architekturprojekte.
Die Durchdringung von Kunst, Medien und Leben sowie von Kunst, Musik und Mode im Zeichen der Konsumgesellschaft wird durch die grenzüberschreitenden Aktivitäten von Bands wie den Beatles, den Rolling Stones und The Who beschleunigt –und in Antonionis Filmklassiker „Blow Up“pointiert, der auf einmalige Art und Weise Musik, Mode, Fotografie und Medienreflexion bündelt. Stets geht es darum, die zahlreichen, heute meist vergessenen Querverbindungen zwischen den damals fluide werdenden Kulturformen und ihren kreativen Akteuren exemplarisch erlebbar zu machen. So präsentiert ein Schaufenster mit alten Fernsehgeräten die den jungen Pop-Künstlern der quirligen Londoner Szene gewidmete BBC-Fernsehdokumentation „Pop Goes The Easel“ von 1962. Und ein „Music Store“mit „Soundbar“und Fotowand inszeniert die Gleichzeitigkeit der kulturellen Ereignisse: die prägenden Netzwerke, Zeitschriften, Modeinszenierungen,
Bands und Plattencover. Die Ausstellung schließt mit Werken und Zeitschriften der Architektengruppe Archigram, die in ihren Projekten aus der Kunst, Musik und Mode ihrer Zeit schöpfen und exemplarische Pop -Architektur bis hin zur Pop-up-Stadt entwerfen sowie der Wandlung des „Swinging London“ zum „Swingeing London“1968. Der Bogen der Ausstellung von den frühen Collagen Paolozzis in Paris bis zu Hamiltons Bildrelief mit Mick Jagger und dem Galeristen Robert Fraser in Handschellen macht die künstlerische und kulturhistorische Bedeutung der britischen Pop Art mit allen Sinnen erlebbar–und erschließt diese Zeit als wesentliche Vorgeschichte unseres Heute.
Tags: Pop Art in GB 1947-68 This was tomorrow