Beitragsfoto: Kuh im Melkstand (c) Fred Dott.JPG
Pressemeldung: VIER PFOTEN kritisiert Hochleistungszucht von Milchkühen
Hamburg, 29. Mai 2015 – Am 1. Juni ist Weltmilchtag. Dafür macht die Stiftung für Tierschutz VIER PFOTEN auf das Leiden der Milchkühe aufmerksam. Denn mit der romantischen Vorstellung vieler Menschen von weidenden Kühen hat die heutige Milchproduktion wenig zu tun: Milch und Milchprodukte stammen zum größten Teil von Kühen, die auf Extremleistung gezüchtet wurden und in ihrem ganzen Leben kein einziges Mal auf einer Weide stehen dürfen. VIER PFOTEN fordert ein Umdenken: gesündere Tiere mit längerer Lebensdauer und eine wiederkäuergerechte Haltung.
In Deutschland liegt die durchschnittliche jährliche Milchleistung bei 8.300 kg pro Kuh, wobei es sogar schon Kühe gibt, die 12.000 kg Milch geben. Vor 40 Jahren waren es nur ca. 2.700 kg.
Die negativen Folgen der konventionellen Produktionsbedingungen in Deutschland sind vielfältig: Die übergroßen Euter sind oft entzündet (Mastitis) und hindern die Tiere, sich normal zu bewegen, ebenso wie kranke Klauen und glatte Stallböden. In Deutschland leiden 30 bis 50 Prozent aller Milchkühe an Lahmheiten. Zwar gibt es im Vergleich zu früher mehr Laufställe für Milchkühe, jedoch kommen immer weniger Kühe auf die Weide. Viele Tiere bekommen außerdem zur weiteren Leistungssteigerung Kraftfutter, was für Wiederkäuer nicht artgemäß ist.
Nutztierexpertin Ina Müller-Arnke von VIER PFOTEN:
„So werden die Kühe völlig unnötigerweise zu einer Nahrungsmittelkonkurrenz des Menschen. Denn Kühe können als Wiederkäuer eigentlich genau das gut verdauen und verwerten, was der Mensch nicht kann: rohfaserreiche Nahrung wie Heu oder Gras.“
Während die zahlreichen Erkrankungen der Milchkühe in den letzten Jahren stark angestiegen sind, nimmt die „Nutzungsdauer“ der Kühe dramatisch ab. Die ausgezehrten Milchkühe werden oft schon im Alter von fünf Jahren geschlachtet – die natürliche Lebenserwartung eines Rindes liegt aber bei über 20 Jahren. Haupt-„Abgangsursache“: Fruchtbarkeitsprobleme. Denn um Milch zu geben, muss eine Kuh jährlich wenigstens ein Kalb bekommen, das ihr im Normalfall direkt nach der Geburt weggenommen wird. Wird sie nicht trächtig oder gibt zu wenig Milch, kommt sie zum Schlachter.
Müller-Arnke: „Diese Form der Zucht auf Hochleistung ist aus unserer Sicht ethisch nicht tragbar. Die Gesundheit und das Wohl der Tiere müssen im Vordergrund stehen. Wir müssen weg von der kurzfristigen extrem hohen Leistung, hin zu Zweinutzungsrassen, die sowohl für Milch als auch für Fleisch genutzt werden können. Die männlichen Kälber aus den Hochleistungsrassen sind für die Fleischgewinnung wirtschaftlich uninteressant, da sie in der Mast zu langsam Fleisch ansetzen. Sie sind ein lästiges Nebenprodukt, ähnlich den männlichen Brüdern von Hochleistungslegehennen, die nach dem Schlupf sofort getötet werden. VIER PFOTEN macht sich für alternative Milchproduktionssysteme stark, die dem Tierwohl Rechnung tragen.“
Zum Weltmilchtag empfiehlt VIER PFOTEN daher, auch auf pflanzliche Alternativen zurückzugreifen. Müller-Arnke: „Der Weltmilchtag ist der ideale Zeitpunkt, um neue Wege in Sachen Milch zu gehen! Genießen Sie zum Beispiel das morgendliche Müsli mit pflanzlichen Alternativen wie Hafer- oder Mandelmilch.“
Weniger Milch zu trinken, bewusst etwas mehr Geld auszugeben und Bio-Milch zu kaufen, das hilft auch. Demeter hat in seinen Richtlinien als einzige Bio-Marke fest gelegt, dass die Kühe ihre Hörner behalten. Das ist ein besonders gutes Kriterium, denn erstens heisst es, die Milch von behörnten Kühen sei wesentlich besser, auch besser verträglich. Zweitens geht es den Kühen mit Hörnern vermutlich besser. Bisher hat man wissenschaftlich allerdings nicht nachgewiesen wozu die Kuh ihre Hörner braucht. Klar ist jedoch, die normalen Milchkühe wie Fleckvieh und Holstein Friesian werden mit Hörnern geboren. Eine Verbindung zum Verdauungstrakt der Kuh ist zwar wissenschaftlich nicht bewiesen, lässt sich jedoch erahnen, da die Hörner in dem Moment deutlich zu wachsen anfangen, wo das Kalb beginnt Grünfutter zu sich zu nehmen. Die Hörner beim Kalb zu entfernen ist für das Kalb nachweislich extrem schmerzhaft.
Die Hornfoto ist aus dem Buch „Kühe verstehen“ und stammt von dem Fotografen Philipp Rohner
ÖKO-TEST Milchersatzgetränke
Problem Gentechnik – In sechs von acht Sojadrinks konnte das Labor gentechnisch veränderte Organismen nachweisen.
In der neuen Juni-Ausgabe 2015 hat das ÖKO-TEST-Magazin Milchersatzprodukte wie Soja-, Reis-, Hafer-, Dinkel- und Mandeldrinks genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist zum großen Teil erfreulich: Knapp die Hälfte der Produkte schneidet mit „gut“ oder „sehr gut“ ab. Allerdings konnte das Labor in einigen Getränken Chlorat nachweisen, ebenso gentechnisch veränderte Organismen in Soja-Drinks.
Ob ethische Bedenken oder Laktoseintoleranz, es gibt gute Gründe auf Kuhmilch zu verzichten. Laut ÖKO-TEST sind einige empfehlenswerte Produkte auf dem Markt. Allerdings haben nicht alle, die das Verbrauchermagazin im Labor untersuchen hat lassen, eine reine Weste: So ließen sich Spuren von gentechnisch veränderten Organismen in sechs von acht Sojadrinks nachweisen, leider auch in einigen Bio-Produkten. ÖKO-TEST rät daher: Wer zu 100 Prozent gentechnikfreien Milchersatz will, sollte zu Getränken auf Getreidebasis greifen.
Auch Chlorat ist ein Thema bei Milchersatzprodukten. Gut die Hälfte weist Werte des Stoffes auf, der die Jodaufnahme der Schilddrüse vorübergehend hemmen und die roten Blutkörperchen schädigen kann. Chlorat ist ein typisches Desinfektionsnebenprodukt oder gelangt durch die Bewässerung auf dem Feld in das Lebensmittel. Im Milchersatz kommt auch das Trinkwasser als Eintragsquelle in Frage, denn viele Wasserversorger bereiten Wasser mit Hilfe von Stoffen wie Chlorgas auf, wodurch Chlorat als Nebenprodukt entstehen kann.
Das ÖKO-TEST-Magazin Juni 2015 gibt es seit dem 29. Mai 2015 im Zeitschriftenhandel. Das Heft kostet 4,50 Euro.
siehe dazu auch: Auf Hochleistung getrimmt, Sendung 3 Sat vom 6.5.2015
Die durchschnittliche Milchleistung von Kühen | ||
Region | Kilogramm | Herdengröße Ø |
Baden-Württemberg | 7459 | 45 Kühe |
Brandenburg | 9171 | 298 Kühe |
Hessen | 8117 | 52 Kühe |
Mecklenburg-Vorpommern | 8899 | 266 Kühe |
Niedersachsen/Bremen | 8856 | 78 Kühe |
Nordrhein-Westfalen | 8681 | 66 Kühe |
Rheinland-Pfalz | 7882 | 63 Kühe |
Saarland | 7931 | 70 Kühe |
Sachsen | 9177 | 215 Kühe |
Sachsen-Anhalt | 9114 | 249 Kühe |
Schleswig-Holstein | 8119 | 89 Kühe |
Thüringen | 9180 | 279 Kühe |
Weser-Ems | 8746 | 70 Kühe |
Quelle: Deutscher Verband für Leistung- und Qualitätsprüfungen, 2012 |
Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte im April 2015, die Bauern hätten in den vergangenen Jahrzehnten die Haltungsbedingungen schon deutlich verbessert. Als Beispiele nannte er Ruhezonen für Rinder in den Ställen, mehr Bewegungsmöglichkeiten für die Tiere und ein bessere Belüftung der Ställe.
Tags: Ersatzmilch Hochleistungszucht Weltmilchtag