puh, drei Tage lang haben sich die Agrarminister der Länder mit brisanten Themen herumgeschlagen, wie
- der Weiterentwicklung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP)
- der Zukunft der bäuerlichen Milchviehhaltung
- den Freihandelsabkommen und ihre Auswirkungen auf die Landwirtschaft
- Geflügelpest und Freilandhaltung
- Antibiotikaeinsatz und Antibiotikaresistenzen
- Lebensmittelverschwendung
- Zulassungsverfahren bei Glyphosat
- Haltung von Sauen in Kastenständen
- Nationale Tierschutzstrategie / Tierwohlkennzeichnung
- Tierschutz bei Tier-Transporten
- Nationale Strategie zur Reduzierung der Stickstoffüberschüsse
Zwei Mal im Jahr treffen sich die Agrarminister der Länder um über derartig gravierende Themen auf der Agrarministerkonferenz (AMK) zu beratschlagen. Aktuell hat Niedersachsen den Vorsitz von Bund und Ländern inne, unter Landwirtschaftsminister (LWM) Christian Meyer. Bei der Abschlusskonferenz am Freitag wurden viele Absichtserklärungen bekanntgegeben: Die GAP soll weiter entwickelt werden. Alle sind sich einig, dass die Milchkrise immer noch nicht vom Tisch ist und man dagegen etwas tun müsse. Die Lieferbedingungen zwischen Molkereien und Landwirten sollen geändert werden, soviel ist sicher: „Die Erkenntnisse des Kartellamts sind für die Wirtschaft nicht nur eine Mahnung, sondern ein klarer Auftrag“, so Brunner, LWM von Bayern. Till Backhaus, LWM von MV, droht mit einem entscheidungsfreudigen Alleingang, wenn es dazu keine bundesweite Richtlinie gäbe. Die SPD sei schon immer Vorreiter gewesen.
Die immer noch grassierende Geflügelpest in Deutschland schieben Backhaus und Meyer auf ein mögliches Problem bei der Biosicherheit einiger Betriebe. Zusätzliche Hilfen, für die von der Stallpflicht besonders betroffenen Landwirte, lehnt Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt ab. Die „Kastenstand-Haltung von Sauen“ könne so nicht bleiben, da wollen einige Minister
„die Sau grundsätzlich raus lassen“. Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hatte Ende Januar beschieden, dass die meisten derzeitigen Kastenstände, in denen Sauen 28 Tage zur Besamung gehalten werden, tierschutzwidrig sind und als rechtswidrig einzustufen sind. Sie sind zu klein. Die Sauen sollen wieder mehr Bewegungsfreiheit und mehr Platz erhalten. Der Deutsche Tierschutzbund fordert die Bundesländer auf, die tierschutzwidrigen Zustände grundsätzlich abzustellen. „Diese Zustände können nur mit einem Ausstieg aus der Kastenstandhaltung und einer entsprechenden Anpassung der Tierschutz-Nutztierhaltungs-verordnung grundlegend geändert werden“, sagt Schröder. Sauen werden pro Abferkelzyklus circa neun Wochen in einem Kastenstand fixiert, der außer dem Abliegen und Aufstehen keinerlei Bewegung ermöglicht. Durch die dauerhafte Fixierung werden elementare Bedürfnisse der aufgeweckten Tiere massiv unterdrückt, was zu tierschutzrelevanten Verletzungen, Erkrankungen und Verhaltensstörungen führt. Im Abferkelbereich wird die Nutzung des Kastenstandes dadurch begründet, dass die Sauen ihre Ferkel beim Abliegen sonst erdrücken. Viele Biobetriebe und auch andere europäische Länder machen vor, dass die Sauenhaltung ohne Fixierung problemlos funktionieren kann, wenn man die Sau natürlich gewähren lässt und sie nicht noch mit Präparaten zur Überproduktion zwingt. Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter geht noch einen Schritt weiter: „Sauen in Kastenständen zu halten und den Tieren regelmäßig die Schwänze abzuschneiden, widerspricht geltendem Recht. Es geht in der deutschen Agrarpolitik um eine Wende in der Tierhaltung. Nur mit weniger Tieren im Stall können auch die schädliche Ammoniakbelastung der Luft, und die gefährlich hohen Nitratwerte im Grundwasser verbessert werden. Zuviel Nitrat von den Äckern verschmutzt bundesweit Grund- und Oberflächengewässer und belastet das Trinkwasser. Martin Hofstetter: „Diese Düngereform ist ein Kotau der Politik vor dem Bauernverband. Weitreichende Ausnahmen, lange Übergangsfristen und abenteuerliche Kalkulationen lassen die Reform zum reinen Papiertiger schrumpfen. Die EU-Kommission muss bei ihrer Klage bleiben und von Deutschland schärfere Maßnahmen für weniger Nitratbelastung einfordern. Sonst werden wir künftig teuer mit unserer Wasserrechnung dafür bezahlen, weil die Wasserwerke belastete Brunnen aufwändig reinigen müssen.“
Die grünen Minister Meyer und Remmel wollen die Düngeverordnung auch endlich praxisgerecht verbessern. „Angesichts der EU-Klage gegen Deutschland wegen Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie müssen wir jetzt zum Schutz unseres Grund- und Oberflächenwassers endlich zu Potte
kommen“, sagte NRW-Agrar- und Umweltminister Johannes Remmel. „Unsere Landwirte brauchen jetzt Planungssicherheit, daher darf dies nicht weiter vertrödelt werden“, so Meyer. Ab 2018 müssen zunächst große Tierhaltungsbetriebe diese Stoffstrombilanzen, auch Hoftorbilanzen genannt, erarbeiten. Ab 2023 folgen dann alle anderen Betriebe. Remmel: „Wir haben zwar weiterhin Zweifel, ob die neue Düngeverordnung den EU-Vorgaben standhält und hätten die Stoffstrombilanz für alle Betriebe gerne früher als 2023 eingeführt, aber wir müssen jetzt anfangen, die Überdüngung zu stoppen und die Grundwasserqualität gemeinsam zu verbessern.“ Das Fazit von Meyer und Remmel: „Der schon lange überfälligen Verabschiedung der Düngeverordnung steht jetzt nichts mehr im Wege. Wir gehen davon aus, dass der breit getragene Konsens zwischen Bund und Ländern am 31. März im Bundesrat umgesetzt wird.“
Ein weiteres Tierschutzthema ist die von Bundesagrarminister Christian Schmidt angekündigte Beendigung des Tötens von Millionen Eintagsküken. Dazu wird derzeit eine Super-Maschine zur Geschlechter-Früherkennung im Ei entwickelt. Das dauert aber noch und die Maschine wird auch viel zu kostenintensiv sein. Die grünen Minister Habeck und Meyer plädierten für einen weiteren Ausbau von Zweinutzungshühnern!
Der NABU kritisiert den mangelnden Reformwillen der meisten Landwirtschaftsminister für die dringend notwendige Agrarwende. Das starre Festhalten am aktuellen System pauschaler Direktzahlungen für Landwirte sei nicht nachvollziehbar angesichts der enormen Umweltkosten, die die mit Steuermitteln geförderte Intensiv-Landwirtschaft verursacht. Im Interesse der Agrarminister steht derzeit lediglich der Bürokratieabbau und die Vereinfachung des Systems, von einer gezielteren Verteilung der Gelder für konkrete Umwelt-, Klima- und Naturschutzleistungen ist dagegen kaum die Rede. Als Mogelpackung kritisiert der NABU einen Vorstoß Bayerns, der zwar kleinere Betriebe stärker berücksichtigen will, aber weiter an den umweltschädlichen Pauschalzahlungen der sogenannten Ersten Säule festhält. „Ausgeräumte Landschaften, Massentierhaltung, mit Gülle belastete Böden und Grundwasser sowie Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln und im Körper der Menschen sind nicht das, was wir mit gesunder Ernährung und dem Erhalt unserer Kulturlandschaft verbinden. Wir brauchen eine neue, faire und umweltfreundliche Landwirtschaftsförderung“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke mit Blick auf die Agrarministerkonferenz in Hannover.
Das haben die Bauern haben die schleppende Beschlussfreudigkeit der Minister schon geahnt und in ihrer, vom BDM (Bundesverband deutscher Milchviehhalter) organisierten, „Schnecken-Tempo-Demo“, am 30.3. in Hannover, kund getan. Die landwirtschaftliche Struktur geht baden, die Pole schmilzen, unsere Wasservorräte werden verunreinigt und die Entscheider fabrizieren „sanfte“ Ausstiege mit weichgespülten Beschlüssen.
Beitragsfoto: Rainer Sturm / pixelio.de
Tags: Agrarministerkonferenz in Hannover 31.3.2017 AMK in Hannover Frühling 2017