Geflügelfleisch
Vorsicht bei rohem Geflügel
Bei Untersuchungen von Geflügelfleisch werden immer wieder multiresistente Keime gefunden. Dabei lauern auf dem Fleisch noch viel gefährlichere Bakterien, die schwere Krankheiten verursachen können. Geflügelfleisch wird immer beliebter. Im Schnitt isst jeder Deutsche fast 20 Kilogramm pro Jahr. Mit dem steigenden Konsum wächst jedoch auch das Infektionsrisiko. Geflügelfleisch ist oft mit Darmbakterien belastet, die für Menschen gefährlich werden können. Das muss auch Annika Killer erfahren, als sie nach einer Grillparty Bauch-, Kopf- und Gelenkschmerzen sowie starke Durchfälle bekommt…
Erhebliche Gefahr
Wie gefährlich Campylobacter sein können, bestätigt auch Martin Eikenberg vom Institut für Krankenhaushygiene im Klinikum Bremen-Mitte. Er erklärt, dass aus diesen Durchfällen gefährliche Blutvergiftungen entstehen können. Außerdem könne es zu Gelenkentzündungen und zu Nervenentzündungen kommen, die mit Lähmungen einhergehen. Campylobacter sind mittlerweile die häufigste Ursache für bakterielle Magen-Darm-Erkrankungen, noch vor Salmonellen. Während Erkrankungen durch Salmonellen seit Jahren zurück gehen, sind die Campylobacter-Infektionen erheblich gestiegen. Die Dunkelziffer dürfte sogar noch deutlich höher liegen. Martin Eikenberg, Institut für Krankenhaushygiene, Klinikum Bremen-Mitte: »Weil nicht alle Patienten, die eine Durchfallerkrankung haben, die durch Campylobacter verursacht wird, überhaupt zum Arzt gehen, und wenn sie zum Arzt gehen, dann wird nicht immer eine mikrobiologische Erreger-Diagnostik dieses Durchfalles durchgeführt, so dass man dann nicht weiß, dass es eine Campylobacter-Infektion ist.
Verbreitete Keime
Infiziert hat sich Annika Killer durch Geflügelfleisch aus dem Supermarkt. Plusminus lässt deshalb eine Stichprobe von Geflügelfleisch aus verschiedenen Supermärkten und Discountern im Labor untersuchen. Ergebnis: Fast die Hälfte der Fleischproben weist Campylobacter auf…
Woher kommen die Keime?
Plusminus will vom Verband der Geflügelwirtschaft wissen, warum so viel Fleisch mit Keimen belastet ist. Ein Interview lehnt der Verband ab, antwortet stattdessen schriftlich: »Keime sind natürlicher Bestandteil der Umwelt und können sich auf jedem Naturprodukt befinden (…). Die Geflügelwirtschaft tut hier alles Erdenkliche, um das Vorkommen von Campylobacter weiter zu reduzieren.« Der Fachtierarzt für Mikrobiologie und Lebensmittelhygieniker vom Institut Romeis, Gero Beckmann, sieht das anders. Für ihn ist die Form der Haltung und Schlachtung der Tiere Hauptgrund dafür, warum Campylobacter so massenhaft vorkommen.
Massengeflügelhaltung
In den Ställen geht es eng zu. Die Tiere trampeln durch ihren Kot, die Darmbakterien verteilen sich so rasant. Weil Campylobakter beim Geflügel selbst keine Erkrankungen auslösen, können diese Keime im Stall nicht mit Antibiotika bekämpft werden. Das ist erst beim Menschen nach einer Infektion möglich. Auch durch die Massenschlachtung gelangen Campylobakter auf das Fleisch. Tierarzt Gero Beckmann erläutert dazu: »Gelangen diese Tiere jetzt auf den Schlachthof, dann werden sie konfrontiert mit einer ungeheuerlichen Schlachttechnik, die nur auf Massendurchsatz ausgelegt ist, bis zu 12.000 Tiere pro Stunde werden geschlachtet. Das sind vier Stück pro Sekunde. Wenn die Eingeweide nicht richtig entfernt werden, dann kommt es also zum Verteilen von Darminfektionserreger auf den ganzen Schlachttierkörper. Die Tiere werden also mit Kot bekleckert und hinterher dann irgendwann gesäubert und landen so irgendwann im Handel.«
Politik gefordert
Plusminus will deshalb vom zuständigen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt wissen, was die Politik gegen die Verbreitung der Keime unternehmen will. Auch er antwortet nicht vor der Kamera. Stattdessen teilt uns sein Ministerium schriftlich mit: »Grundsätzlich tragen die Lebensmittelunternehmen die Verantwortung dafür, nur sichere Lebensmittel in den Verkehr zu bringen.« Doch das sei bei Geflügelfleisch nicht der Fall, sagen Kritiker wie Gero Beckmann, Fachtierarzt für Mikrobiologie und Lebensmittelhygieniker, Institut Romeis: »Lebensmittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in den Verkehr gebracht werden. Geflügelfleisch, das mit Campylobacterkeimen belastet ist, ist nicht sicher, wenn das flächendeckend quasi geduldet stattfindet, dann ist das eigentlich ein Skandal.«
Industrielle Geflügelschlachtung
Solange sich nichts an den Haltungs- und Schlachtbedingungen ändert, wird das so bleiben. Verbraucher müssen also, um sicher zu sein, entweder ganz auf das Geflügelfleisch verzichten oder strenge Hygieneregeln beachten.
Quelle/Text: Plusminus; ganzer Beitrag in der ARD Mediathek
Fotos: ©Plusminus
Stand: 21.01.2015 21:46 Uhr
Tags: Campylobacter