Der Retter der Mohrenköpfle im Tal der Genießer
Er ist ein Landwirt durch und durch, fest verwurzelt in der Erde seiner Ahnen. Rudolf H. Bühler bewirtschaftet den Sonnenhof in der 14. Generation. Seit 1378 ist seine Familie hier ansässig, in Wolpertshausen, einem Dorf in der Nähe von Schwäbisch Hall. Sie sind Hohenloher und keine Schwaben, freie und unabhängige Bauern. Freiheit und Unabhängigkeit ist Rudolf Bühler sehr wichtig. Das zeigt er mit Hut: „Früher waren die Bauern Leibeigene. Sie durften nur Mützen tragen. Der Hut war den Herren vorbehalten. Noch heute steht er für Freiheit und Unabhängigkeit. Ich trage immer Hut, das ist mir wichtig.“
Vor etwa 45 Jahren, nach dem Abitur macht Bühler eine landwirtschaftliche Lehre, wie es sich für den Hof-Erben geziemt. „Ich habe noch gelernt mit der Sense zu mähen und mit der Hand zu säen.“ Das war ihm aber nicht genug, also studierte er im Anschluss noch Agrarwissenschaften in Hohenheim, aber nicht nur die heimische, auch die tropische Landwirtschaft. Mit 23 hat er das Diplom in der Tasche. Als fertiger Agraringenieur studiert der junge Landwirt noch Agrarsoziologie in Reading, England. Später geht er als Entwicklungsexperte für zweieinhalb Jahre nach Sambia in Zentralafrika und baut dort eine Musterfarm mit Schweinehaltung und Schlachthaus auf. Im Anschluss folgt die Leitung eines Bewässerungsprojektes in Syrien, inklusive Ausbildung lokaler Agraringenieure zu Farmleitern. Von dort geht es weiter nach Bangladesch und Südindien, wo er u.a. als Berater am Landwirtschaftsministerium in Dhaka einen ländlichen Beratungsdienst aufbaut. Ende 1983 kehrt er nach Hause zurück und wendet die Entwicklungshilfe gleich in der eigenen Region an. 1. Projekt: die Rettung des Schwäbisch-Hällischen Landschweines mit Zuchtsau Berta. Berta war als Einzige noch übrig auf seinem Hof. Mit Anzeigen im örtlichen Kreisblatt suchte er nach weiteren Mohrenköpfle, so heißt die coole Rasse mit schwarzem Kopf und Hintern in der Region.
Sie waren inzwischen fast ausgestorben. Immerhin, 24 Tiere treibt Bühler noch auf und gründet 1984 die Herdbuchzucht mit sieben, von einer Kommission als reinrassig anerkannten Tieren. Zwei Jahre später ruft er mit 17 Bauern den Zuchtverband Schwäbisch-Hällisches Schwein ins Leben. Jetzt hat er ein wunderbares Produkt als Potential für die Bauern in der Region geschaffen das nur noch entsprechend vermarktet werden muss.
Dazu gründet er 1988 die BESH Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall w.V. als eine Selbsthilfeorganisation von Bauern für Bauern. Bühler ist deren Vorsitzender. Er richtet einen Runden Tisch ein für die Entwicklung von Erzeugerrichtlinien für artgerechter Tierhaltung, Mast ohne Antibiotika mit Einsatz der alten Landrasse. Mit 8 Bauern fing er an, heute sind es knapp 1500, Bauern mit kleinen und mittelgroßen Höfen schließen sich an und sorgen mit den Muttertieren für reichlich Nachkommenschaft. Die Ferkelerzeugung brummt. Die Erzeugerrichtlinien, beruhend auf der historischen Schwäbisch-Hällischen Schweinezucht, gewährleisten gesunde und artgerecht aufwachsende Tiere. 1998 erkannte die EU diese Richtlinien als Grundlage für eine traditionelle Spezialität an und garantiert den Schutz der geografischen Angabe (g.g.A.)*. Schnell blüht das Geschäft und wächst weiter. Alle sind zufrieden. Bühler zeigt mit seiner artgerechten Erzeugerproduktion den konventionellen Landwirten, dass es auch anders geht und zwar sehr gut. Die Produktpalette wird kontinuierlich erweitert. Bald gibt es Hohenlohe Rinder, Lämmer, Schafe und Anderes mehr.
Im Jahr 2001 landet Rudolf H. Bühler einen weiteren Coup. Er gründet eine Aktiengesellschaft und wuppt mit Hilfe von Krediten, Förderungsgeldern und Anteilsscheinen den Kauf und die Modernisierung des Schwäbisch Hällischen Schlachthofes. Die BESH besitzt nun auch eine EU-zertifizierten Schlachtstätte. In Folge sind alle Tiere der Erzeugergemeinschaft kurz und stressarm unterwegs. Mit der tierschonenden und schutzgerechten Schlachtung wirkt sich dies positiv auf den Fleischgeschmack aus. Doch damit nicht genug: Eingerichtet wurde auch eine eigene Metzgerei. Sie kann Warmfleisch verarbeiten und erzeugt Wurst und Schinken, analog zu den Erzeugerrichtlinien und ebenfalls nach dem Reinheitsgebot: Keine chemischen Helfer, kein Geschmacksverstärker, nur reine Naturgewürze aus biologischer Erzeugung. Das Ergebnis: Fleisch, Würste und Schinken von herausragendem Geschmack, ein Hochgenuss! Man erhält sie in den BESH eigenen Hohenloher Märkten in Wolpertshausen, Schwäbisch Hall und Stuttgart.
Die Gewürze, um das Fleisch noch schmackhafter zuzubereiten, beziehen die Hohenloher aus Übersee. Dafür gründet Bühler diverse Projekte mit Kleinbauern und Ureinwohnern in ganz anderen Teilen der Welt: Urwaldpfeffer aus Kerala, Paprikapulver aus Serbien und Nelken aus Sansibar. Nicht nur die Erzeugergemeinschaft auch die Produzenten vor Ort profitieren mit fairen Einkommen und zukunftsträchtigen Jobs. Senfe wie Koriander kommen wieder aus Hohenlohe. Gemeinsam mit den BESH-Bauern wurde 2004 Hohenlohe zur Gentec-freien Zone ausgerufen.
Ja, der Herr der Mohrenköpfle hat erst sein Tal und nun die Region zum blühen und gedeien gebracht. Wolpertshausen und Umgebung, Hohenlohe ist eine gefährliche Genießerregion geworden, ein Schlaraffenland für Mensch und Tier, fast zu schön um wahr zu sein – ist es aber und findet sogar international Anerkennung. Vor zwei Jahren kam der Prinz of Wales vorbei und schaute sich interessiert an was der Bauer mit Hut entwickelt hatte. Im Schlepptau hatte der Prinz den deutschen Ökopapst der ersten Stunde, Professor Dr. Hartmut Vogtmann, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, er wurde ein Freund.
Rudolph Bühler freut sich über die Anerkennung kämpft aber weiter, gegen Gentechnik, Massentierhaltung, TTIP und anderen Unsinn. Als Alt-68iger kennt er die Macht der Strasse: „Ich habe immer gesagt, wenn wir was erreichen wollen, dann müssen wir auf die Strasse. Vor 5 Jahren habe ich dann die Demos gegen Massentierhaltung in Berlin zur IGW (internationalen grünen Woche) mit ins Leben gerufen.“ Mit „Wir haben es satt“ als Slogan karrt er schon 2011 und erneut im Januar 2014 eine ganze Horde Mohrenköpfe vor das ‚Haus‘ von Frau Merkel. ‚Er lasse die Sau raus‘, heisst es. Immerhin wächst die Zahl der Demonstranten seit dem an. Dieses Jahr ruft er beim gemeinsamen Frühstück in der Markthalle 9 in Berlin wieder zum gemeinsamen Kampf gegen den agressiven Wirtschaftsimperialismus der USA mit TTIP und gegen die Industrialisierung in der Landwirtschaft auf und 50000 machen mobil mit Power for the Bauer, doppelt so viele wie letztes Jahr.
Wie sympathisch, dass Rudolf H. Bühler sein Herz der ganzen Welt öffnet und nicht schon zu Hause mit dem Paradies zufrieden ist.
*g.g.A.: Drei EU-Gütezeichen bürgen für die Qualität hochwertiger landwirtschaftlicher Erzeugnisse und Lebensmittel und sorgen für den angemessenen Schutz folgender Produktbezeichnungen: g. U. (geschützte Ursprungsbezeichnung), g. g. A. (geschützte geogra-fische Angabe) und g. t. S. (garantiert traditionelle Spezialität). Nürnberger Lebkuchen und Parmaschinken sind Produkte mit g.g.A.. Es ist wie eine eingetragene Marke, etwas Besonderes also.
Links mit Adressen:
www.geniesserregion-hohenlohe.de
www.besh.de
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Tags: Mohrenköpfle Rudolf Bühler Schwäbisch Hällisches Landschwein