Nicht erst seit Lady Gagas spektakulärem Auftritt bei den MTV Video Awards 2010- sie war von Kopf bis Fuß mit rohem Rindfleisch bekleidet- auch früher schon waren „Fleisch-Kleider“ ein Thema.
Lady Gaga wollte provozieren. Im Anschluss an ihren Auftritt ließ sie sich, in Fleisch gewickelt, von der eingeschworenen Veganerin Ellen DeGeneres interviewen. DeGeneres hatte dabei erhebliche Probleme, neben Lady Gaga zu sitzen. Die Diva sagte dazu nur: “If we don’t stand up for what we believe in and if we don’t fight for our rights, pretty soon we’re going to have as much rights as the meat on our bones.” („Wenn wir uns nicht für das einsetzen, woran wir glauben und nicht für unsere Rechte kämpfen, haben wir bald nicht mehr Rechte als das Fleisch auf unseren Knochen.“)
Im Jahr zuvor bei dem VMAs (Video Music Awards) hatte Gaga sich mit Kunstblut überschüttet, was u.a. als weichgespülte MTV-Interpretation von Nitsch erklärt wurde. Die Stilikone erlangte in ihrem Fleischoutfit noch mehr Aufmerksamkeit. Doch es geht der exaltierten Popdiva um mehr: Gaga will das „Frau sein“ neu definieren. Vom Time-Magazine als bestes Stil- Statement deklariert, wurde das abgehangene Designer-Kleid sorgfältig von einigen Tierpräparatoren mit Chemikalien fixiert und für die kommenden Jahrzehnte oder länger fit gemacht. Inzwischen ist die Fleisch-Robe ein Exponat in der „Rock and Roll Hall of Fame“ in Cleveland/USA.
Bereits in früheren Vanitasdarstellungen und im Bild des Totentanzes wird gelegentlich das fleischerne Innere des Körpers nach außen gekehrt. Diese Darstellungen spielen auf bereits im Altertum verbreitete Vorstellungen an, die an der Kontrastierung von vergänglicher Schönheit und darunter befindlicher Vergänglichkeit Gefallen finden, oder diese als Memento mori benutzen. Ähnlichkeiten ergeben sich ebenso mit der Ästhetik der Plastinate Gunther von Hagens. Auf dem Album All Wrapped Up von The Undertones, trug ein weibliches Model hauptsächlich aus Schinken und Würstchen bestehende Kleidung. Ebenso fertigten die Architekten Diller Scofidio + Renfro für einen Schönheitswettbewerb ein Fleischkleid an und propagierten es 2006 in einem Buch über „Architektur als Körpererweiterung“. Hingegen ist die Darreichung von Essen auf einem (zumeist weiblichen) Körper, wie sie sich auf Bildern und bei Aktionen Meret Oppenheims und Salvador Dalís bereits fand, wie Anspielungen und Darstellungen von Kannibalismus, davon zu trennen.(Quelle Wiki)
Hermann Nitsch war lange Zeit der Einzige zeitgenössische Künstler der Blut, und das gerne literweise, in seine Aktionen mit einband. So zelebriert er nicht nur sein Orgien-Mysterien-Therater, sondern nutzt auch gerne Blutschüttungen bei seinen Abreaktionsspielen, so flossen 1966 Unmengen von Lammblut in die Wiener Galerie Dvorak. Eigenartigerweise regte man sich damals nicht über das Blut auf, vielmehr die dazu drapierten gebrauchten Damenbinden führten die Gemüter zur Empörung. Nitsch brachte zwei unterschiedlicche Blutsorten in Verbindung die immer streng getrennt wurden und brach damit ein religiöses Tabu.
Die Verwendung von Fleisch als Kleidung oder Kostüm ist ungewöhnlich. Die 1987 zuerst durchgeführte Kunstaktion Vanitas: Flesh Dress for an Albino Anorectic von Jana Sterbak. Sie nimmt die entsprechenden älteren Vorstellungen wörtlich: das Innere wird nach Außen gekehrt. Dabei trat eine junge Frau mit einem Kleid aus Ochsenfleisch auf, das ca. 50 Kilo wog. Neun solcher Kleider hat Jana Sterbak aus Ochsenfleisch geschneidert. Auf Kleiderpuppen drapiert trocknet das Fleisch und mutiert nach und nach von dunkelrot zu grau-beige. Es zieht sich zusammen und die Faserigkeit tritt deutlich hervor.
In diesem Konservierungsprozeß scheint das Rind ein zweites Mal zu sterben. Eine Zeit lang festgehalten, doch die Vergänglichkeit ist absehbar. Möglich, dass diese Arbeiten dazu beitragen diese Veränderungen in ein kritisches Bewusstsein zu rücken.
In den neunziger Jahren sind dann einige Künstler hinzu gekommen die gerne Fleisch und Blut als Inbegriffe vergänglichen Lebens in ihre Objekte mit einbanden. Es war die Zeit in der die Vergänglichkeit zum Thema wurde; Beust hat dafür gerne Fett und Filz genommen.
Marc Quinn setzt Blut als Mittel des Ausdrucks ein, hier in einem Selbstversuch. Der Brite ließ sich im Laufe mehrerer Monate die Menge an Blut abzapfen die in einem menschlichen Körper zirkuliert. Das sind etwa 5 Liter aus denen er dann einen Abguß seines Kopfes formte, mit Hilfe von Stabilisatoren. Anders als normale Haut sonst den Kopf glatt bedeckt und umschließt, ist die Maske aus Blut brüchig und porös, wie verletzlich…
Quelle: Monika Wagner/ Buch: Das Material der Kunst, eine andere Geschichte der Moderne
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