Was für ein sympatischer Partner, dieses wilde, ursprüngliche Finnland mit seinen sechs Regionen, seiner sauberen, nordischen Natur, seinem vielen Hafer und seinen glücklichen Menschen! Finnlands Essen (Halle 10.2) sei das reinste weltweit, wird auf der Messe behauptet, dank seiner unberührten Natur und seiner schneereichen Winter mit Temperaturen unter -20 Grad. Im Hafen Helsinkis, in der Markthalle, wird sogar frischer Stör angeboten. 36 weitere Staaten und 61 Länder schmücken bis zum 27.1. Berlins Messehallen mit ihren speziellen Köstlichkeiten. Die Blumenhalle beeindruckt mit 26000 bepflanzten Paletten, aufgebaut wie eine Stadt. In der Schweiz rollt der Käse. Und Italien lockt nicht nur mit Oliven. Egal wo, ob Russland, Ukraine, Indien überall staunt das Auge und lockt der Genuss. In der Tierhalle dominieren dieses Jahr kleine Pferde im Hippologica, dem größten Hallen-Reitsportevent Berlins, und im Heimtierbereich, in Halle 26c, wird das Leben mit Rassekatzen vorgestellt.
Hinter den Kulissen aber wird hart gekämpft. Auch Finnlands Bauern ringen um Rentabilität. In D soll der Netzausbau helfen. Auf der Eröffnungs-Pressekonferenz erklärte Bundeslandwirtschafts-ministerin Julia Klöckner, sie wolle Zielkonflikten in der Landwirtschaft mit dem Ausbau der Digitalisierung begegnen. 70 Millionen würden für ein Netz an der Ackerfurche zur Verfügung gestellt.
Damit könne man beispielsweise über precision farming, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln minimieren, schonender und kostengünstiger wirtschaften. Ihr Ziel sei es weiterhin konventionelle und ökologisch wirtschaftende Landwirte näher zusammen zu bringen. „Und wir brauchen einen Sachverständigen Rat für die Landwirtschaft unter der Ägide der UN,“ meint Klöckner. Eine europäische Tierwohlkennzeichnung sei wichtig für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in der EU.
Im Moment lasse Klöckner beim Max Rubner Institut grade prüfen, welches Tierwohlkennzeichen in der EU am geeignetsten für alle Länder sei. Was die Ferkelkastration angeht blieb die Ministerin hart. Obwohl es Alternativen gibt, wie z.B. die Immunisierung der männlichen Ferkel mit zwei Impfungen, die schon lange erfolgreich praktiziert wird. Die Tiere bräuchten weniger Antibiotika, da es ja keine offenen Wunden mehr gäbe, und es ginge auch vielschneller, als die Hoden zu entfernen, erklärte ein diese Methode praktizierender Landwirt. Wieso die Ministerin diesen Weg nicht unterstützt bleibt offen. Es bedürfte nur einiger Umstellungen und das Tierschutzgesetz würde erfüllt.
Im Stall können Kühe jetzte einchecken wie am Flughafen, mit dem CBS, dem cow body scan. Mit 3-D-Kameras werden die Tiere gescannt und so ihre körperliche Konstitution überwacht. Lahmende und abgemagerte Tiere können damit schneller ausgemacht und versorgt werden; es leistet aber auch der Massentierhaltung weiter Vorschub. Zudem nütze die Diagnose kaum, wenn es zu wenig Tierärtze für eine hinreichende Versorgung auf dem Lande gäbe. Der Bundesverband praktizierender Tierärzte bpt, registriert besorgniserregende Rückgänge praktizierender Tierärzte auf dem Lande. Ein weiterer Brennpunkt ist der Ausverkauf von Grund und Boden. Junge Landwirte hätten kaum eine Chance Land zu kaufen. „Nach außen hin wirtschaften die Bauern zwar weiter auf ihrem Acker, aber vielfach ist ihr Land schon von artfremden Investoren aufgekauft worden,“ erzählt der Präsident des deutschen Bauernbundes, Klamroth. Die Subventionierungen aus der ersten Säule gehen damit nicht mehr an die Landwirte sondern an die Grundstückseigner. Kleine Höfe, die überaus wichtig für eine gesicherte Zukunft unserer Ernährung sind, weil sie flexibler agieren können und mehr Vielfalt bieten, werden weiter systematisch zur Seite geschoben. Der Präsident des Bauernverbandes Rukwied zuckt dazu nur mit den Achseln und meint, „you can not change history“. Auch hinsichtlich des Tierwohles, was so gewachsen sei, wie die industrielle Tierhaltung, man könne nun mal die Produktion nicht zurückschrauben. Dabei wäre „degrowthen“ ein überaus sinnvoller Weg, um die Märkte wieder zu regulieren. Rukwied sieht aber keine Überproduktion, Schweineschwänze und Ohren hätten ja eine starke Nachfrage im Ausland. Dieses „Argument“ wird immer wieder benutzt. Der deutsche Schweine-Markt ist mit 120 % mehr als gut gesättigt. Das Problem ist die Globalisierung. Die Politik nutzt wie jedes Jahr die Bühne der Grünen Woche für Hugs and Smiles aber strukturweisende Gesetze gibt es auch dieses Mal nicht. Die Bauern versuchen sich zum Teil selber zu helfen, mit eigenen Wegen, wie der Ferkelimmunisierung, die vom Bioverband Naturland unterstützt wird. Das EMB, European Milk Board, hat schon 2015 ein Marktregulierungsinstrument entwickelt, mit dem Ziel einen stabilen Markt zu schaffen für alle europäischen Milkfarmer und langfristig wieder unabhängig zu werden von Subvenionen. Bioland ist eine Kooperation mit Lidl eingegangen. Ziel ist es den Bauern, die umstellen auf Bioland, langfristige Absätze zu garantieren. Naturland und Aldi bieten auch „billig Bio“ an. Ob die Bauern schlussendlich durch die Discounter wieder in Abhängigkeit geraten, oder ob es eine Trendwende einläutet bleibt abzuwarten. Viele Landwirte und Verbraucher „haben es satt“ und gingen am Samstag in Berlin gemeinsam auf die Strasse. Die Tiere können das leider nicht. Sie werden weiter als Produktionsmittel benutzt und ausgequetscht bis an die Grenze des ethisch moralisch vertretbaren. Obwohl es seit 2006 im Tierschutzgesetz verankert ist, dass Tieren keine Schmerzen zugefügt werden dürfen, sie nicht verstümmelt werden dürfen, werden sie weiter enthornt, die Milchleistung ins Maßlose gepusht, die Zähne bei den Schweinen abgeknipst, ihre Hoden ohne Betäubung entfernt, die Schnäbel gekürzt, Fische versinken in Plastik u.v.a.m..
35.000 Menschen fordern zum Auftakt der grünen Woche von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner: Schluss mit der falschen Agrarpolitik“! „Wir haben es satt! und fordern eine Agrarpolitik für Bauern, Tiere und Umwelt!“- Sprecherin Saskia Richartz im Namen der über 100 Organisationen, die zur Demonstration aufgerufen haben. Das Demonstrationsbündnis fordert die Bundesregierung auf, den überfälligen Umbau der Landwirtschaft anzupacken. Bei der aktuellen Reform der EU-Agrarpolitik (GAP) entscheidet die Bundesregierung maßgeblich mit, welche Landwirtschaft künftig durch Steuergelder finanziert wird. Agrarpolitik der Bundesregierung befeuert Klimawandel und Höfesterben. In Deutschland werden jedes Jahr 6,3 Milliarden Euro an EU-Agrargeldern ausgeschüttet, mehr als drei Viertel davon als pauschale Subventionen je Hektar Fläche. In der Praxis heißt das: Die 3.300 flächengrößten Betriebe erhalten eine Milliarde Euro im Jahr, während die kleinsten 200.000 Bauernhöfe sich knapp 700 Millionen teilen müssen.
„Mit den über sechs Milliarden Euro, die Deutschland jedes Jahr an EU-Agrargeldern verteilt, muss der umwelt- und tiergerechte Umbau der Landwirtschaft gefördert werden”, so Saskia Richartz. “Doch Agrarministerin Klöckner klammert sich an die pauschalen Flächensubventionen wie ihre Vorgänger ans Ackergift Glyphosat. Beim Demonstrationszug zum Agrarministergipfel schlagen die Demonstranten Alarm für die Agrarwende. So fordern sie konsequenten Klima- und Naturschutz, mehr Unterstützung für kleine und mittlere Betriebe, artgerechte Tierhaltung, ein Ende der Dumping-Exporte, gerechten Welthandel und gesundes Essen für alle. Schon am Vormittag hatten die 171 Bauern, die die Demonstration mit ihren Traktoren anführen, eine Protestnote an die 70 versammelten Minister aus aller Welt übergeben. Gemeinsam zeigt das breite „Wir haben es satt!“-Bündnis Wege für eine bäuerliche Landwirtschaft der Zukunft und ein gutes Ernährungssystem auf: www.wir-haben-es-satt.de
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