„Die Wahrnehmung ändert sich – die Sensibilität für die künstlerischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts aber bleibt“, eröffnet Prof. Michael Göring, Vorstandsvorsitzender der Zeit-Stiftung, die aktuelle Picasso Ausstellung in Hamburg, im Bucerius Kunstforum.
Sie lasse eine frische Brise hinein wehen, um den Blick zu öffnen für das spanische Epochengenie „Picasso“ (1881-1973) und seine „Fenster zur Welt“. Eine neue Sichtweise die über die blaue und die rosa Phase des Künstlers noch einmal hinaus reiche…
Über 860 qm ‚reist‘ der Besucher entlang acht verschiedener Werksphasen. Bei jedem Wechsel offenbart sich dem Betrachter eine neue Sicht durch, oder viel mehr auf ein anderes ‚Fenster‘. Mit entsprechenden dunklen Wandfarben hat die Buceriusstiftung die bevorzugte Innensicht des Spaniers optisch unterstützt. Picasso bleibt seiner figurativen Übersetzung der Sicht auf die Dinge treu. Landschaftsbilder sind nicht sein Metier. Kuratorin Westheider erklärt wie sehr der Künstler seine Umgebung en Detail auch auf seine Bilder übertrug.
Schon mit 18 Jahren malte Picasso Fensterbilder in seinem Atelier in Barcelona. Angeregt von der Malerin Esther Horn, die in der frühen Fenstersicht „Interieur“ überraschend auch die Rückseite einer Leinwand entdeckte, entwickelte sich die Ausstellung.
Auf Basis dieses sog. Vexierbildes, mit möglicher Doppeldeutung, einmal als Ausblick aus dem Fenster und wenn man sich auf die Dreiecke konzentriere, auch als Gemälde, trug Westheider 40 Werke zusammen. Nach der frühen Phase des analythischen Kubismusses, einer Stil-Richtung die sowohl auf seinem Seh- als auch auf seinem Tastsinn fußte, und seinem Wechsel zum synthetischen Kubismus, kam eine überwiegend ’normale‘ Zeit. Er wohnte zusammen mit seiner ersten Frau Olga in einem sehr bürgerlichen Viertel von Paris, mit einer sehr ‚ordentlichen‘ Familie und zeichnet eher realistische Gemälde. Dementsprechen entstanden Bilder wie der „Beistelltisch“.
Während Matisse das Fenstermotiv ständig benutzte, setzte Picasso es nur in Serien ein, die immer auch einen Wechsel seiner Sicht auf die Welt offenbarten. „So nutzte er seine Fensterbilder auch dazu skulpturale Ideen zu entwickeln, um den Raum als Gegensatz zur Form zu thematisieren,“
so Westheider. Er benutzte gerne Gitarren und ordnet sie ein zwischen antike Büsten. Frauen spielten eine große Rolle in seinem Leben. „Seine Musen„ beschrieb er sie, entweder waren sie seine Göttinnen oder er degradierte sie schon nach kurzer Zeit zum Fußabtreter. Picasso gefiel sich gut in der Rolle des rücksichtslosen Paschas, immer auf der Suche nach einer neuen Versuchung. Die sportliche Marie-Thérèse Walter war noch minderjährig als er sie verführte. Dieser Seitensprung zerstörte seine 1. Ehe. Das blutjunge Model beschrieb ihn als wenig charmant. Sie sei aber dem Feuer seiner Augen erlegen. Danach kam eine Phase die er überwiegend in seinem Atelier verbringen musste. Während der Zeit der deutschen Besetzung Frankreichs hatte Picasso Ausstellungsverbot. Er widmete sich den Tomaten auf seinem Balkon und übertrug die frischen Früchte auf die Leinwand. Danach kam eine Zeit der Tauben, ein Thema welches seinen Vater, einen Zeicchenlehrer stark beschäftigte. Auch Picasso ließ sich von den sanften Tieren inspirieren.
Einige weitere Frauen kreuzten seinen Weg, Dora Maar z.B., die intelligente Fotografin lieferte ihm in Ihren Fotos immer wieder auch kluge Motive; einige davon findet man in seinem berühmten Gemählde „Guernica“ von 1937. In den 60iger Jahren heiratete er ein zweites Mal, Jacqueline Roque, seine treue Begleiterin. Mit ihr verbrachte er seine letzten Jahre an der Cote d’Azur.
Picasso, Fenster zur Welt, eine schöne Ausstellung die eine neue Sicht auf den kreativen Bonvivant offenbart.
6.2. bis zum 16.5.2016 im Bucerius Kunstforum
Die 12 Mitarbeiter des Kuratoriums holten letztes Jahr 215000 Besucher in die Ausstellung, erzählte Michael Göring voller Freude. Ortrud Westheider wechselt nun nach 14 Jahren zum Barberini Museum in Potsdam – die Nachfolge bleibt spannend.
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