Freeganer, Foodies, Pescetarier – wer futtert was?
Andersartige Ernährungsweisen gab es ja schon immer, wie z.B. am Freitag kein Fleisch zu essen im Katholizismus, kein Schweinefleisch zu essen im Islam, nur koschere* Speisen zu verzehren im jüdischen Glauben usw.. Manchmal waren diese Regeln sogar sinnvoll oder ergaben sich als Konsequenz aus mageren Zeiten und Regionen.
Tschernobil, BSE und Biolügen schlagen ganz neue Blüten und bringen Weltverbesserer, Gesundheitsapostel und andere Verbraucher zu teilweise eigenwilligen Verhaltensweisen, besonders in den Industrieländern. Dazu kommt der fortschreitende Alterungsprozess der Bevölkerung. Der Durchschnitt wird immer älter, möchte aber fit bleiben und natürlich möglichst jung aussehen. Ernährung spielt dabei eine große Rolle, wird für manch Einen sogar zur Philosophie. Alles gut, solange die Ernährung nicht zur Mangelerscheinung führt.
*koscheres Fleisch: nach der Tora gilt, dass nur solche Tiere als koscher zu betrachtet werden, die zweigespaltene Hufe haben und Wiederkäuer sind ( wie Rinder, Schafe, Ziegen, Rehe, Hirsche etc). Doch Schweinefleisch gilt als treife, das heißt als nicht koscher, da Schweine zwar gespaltene Hufe haben, aber nicht wiederkäuen. Fleisch- und Milchprodukte werden nie zusammen gegessen.
Allesfutterer oder auch unbekümmerte Fleischesser
Schlaraffia, das ist ein Privileg des Menschen, grundsätzlich vertragen wir einfach alles. Unser Speiseplan ist reichhaltig gefüllt mit einer überdimensionalen Palette an pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln aller Couleur. Alles essen ist einfach Klasse, wenn man nicht zu viel Fast Food isst, zu viele Einfachzucker und tierische Fette vermeidet, regelmäßig Obst und Gemüse verzehrt und auf genügend Ballaststoffe achtet. Dann braucht man sich kaum Sorgen zu machen, heißt es. Das Risiko, an Stoffwechselstörungen, Übergewicht oder anderen Ernährungsauswirkungen zu erkranken, ist weitgehends unter Kontrolle. Doch damit wird man womöglich steinalt.
Das ist ein Problem, wie soll die immens wachsende Welt-Bevölkerung noch satt werden ohne die Ressourcen alle aufzubrauchen? So viele Tiere können wir in Zukunft gar nicht mehr produzieren, wenn alle weiter Allesfresser bleiben. Zunehmende Allergien erzwingen zusätzlich eine Ernährungsumstellung für die Betroffenen. Religiöse oder ethisch moralische Überlegungen führen zu einem anderen Essverhalten und natürlich auch die Vernunft.
60 Kilogramm Fleisch verzehrte jeder Deutsche im Durchschnitt 2012. 85 Prozent der Bundesbürger aßen täglich oder fast täglich Fleisch und das auf Kosten der Umwelt, des Klimas, der Gesundheit und natürlich zu Lasten der Tiere. Alles nachzulesen im jährlich erscheinenden Fleischatlas, ein desillusionierender Report den die Heinrich-Böll-Stiftung, der Bund für Umwelt- und Naturschutz, BUND und die Monatszeitung Le Monde diplomatique immer im Januar herausgeben.
Link: Der Fleischatlas
Clean Eating
Dieser neue Ernährungstrend setzt auf unverarbeitete Lebensmittel, mit denen frisch gekocht wird, um möglichst „reines“ Essen zu sich zu nehmen. Produkte mit Clean Labels, bezeichnen Lebensmittel die „ohne Versprechen“ verkauft werden. Derart „saubere Etiketten“ empfinden einige Ernährungsexperten schlicht als geschickten Marketing-Gag. Ziel des neuen Ernährungs-konzeptes ist es aber, viele frische, natürliche Lebensmittel gesund zuzubereiten, anstatt die bequemen Convenience Produkte zu verzehren. Fast Food und Fischstäbchen sind verpönt, Fresh Food jeder Zeit!
Flexitarier
Flexitarier, das sind die Esstypen der Zukunft, heißt es. Fast 12 Prozent der Deutschen sind bereits sogenannte Flexitarier. Das ergab eine Fleischkonsum-Studie der Universitäten Hohenheim und Göttingen.
Sie essen Fleisch, aber in Maßen und dann auch vornehmlich Bio-Qualität, less but better! Immer mehr Deutsche legen bewusst fleischfreie Tage ein. Teils aus gesundheitlichen Gründen, teils um ihr Gewissen zu beruhigen, denn die Produktion von Fleisch in Massen ist einfach grausam. Zudem führt die Massenproduktion zu großen Umweltschäden.
Scherzhaft werden sie auch Teilzeitvegetarier genannt. Flexitarier, ist zusammengesetzt aus flexibel und Vegetarier. Es stammt aus den 90igern und kommt, wie sollte es anders sein, aus den Vereinigten Staaten, von Helga Morath. Die Gastronomin versuchte damit die, für normale amerikanische Verhältnisse, sparsam mit Fleisch bestückte Speisekarte Ihres Restaurants zu erklären. Wenn es stimmt, dann hat Morath damit den Flexitarismus- Trend angeschubst. „Die Folge: Vor allem die Gastronomie orientiert sich verstärkt an diesem Esstypus der Zukunft“, schreibt Hanni Rützler im „Food Report 2015“. Ein Trend den manch einer kennt: Fleisch nur als Sonntagsbraten!
Foodies
Foodies sind Menschen, deren Hauptinteresse darin besteht, zu essen und mehr über das Essen zu lernen, ohne dass sie ihren Lebensunterhalt in der Gastronomie bestreiten. Als Feischmecker schätzen sie Selbstgemachtes und hochwertige Zutaten. Gesundheit und Genuss sind Ihnen gleichermaßen wichtig. Zu typischen Foodie Interessen und Aktivitäten zählen die Lebensmittelindustrie, Weingüter und Weinproben, Brauereien und Bierverkostung, Lebensmittelwissenschaften, folgende Restaurant Öffnungen und Schließungen und gelegentlich Wiedereröffnungen, die Verteilung von Nahrungsmitteln, Lebensmittel Modeerscheinungen, Gesundheit und Ernährung, Kochkurse, kulinarischer Tourismus und Restaurant Management. Ein Feinschmecker könnte ein besonderes Interesse an einem bestimmten Punkt zu entwickeln, wie die besten Eiercremes oder Burritos. Der Zinsertrag der Feinschmecker in den 1980er und 1990er Jahren führte zu den Nahrungsmittelnetzen und Küchen Programmierung, populären Filmen und Fernsehsendungen über das Essen, wie Top Chef und Eisen-Chef, eine Renaissance spezialisierter Kochbücher, Fachzeitschriften wie Gourmet Magazine und Cooks Illustrated, wachsende Popularität von Bauernmärkten, Essen orientierten Websites wie Zagat und Yelp, Verlagswesen und Lesen Nahrung Blogs wie Foodbeast und foodieworld, spezialisiert Küchen Läden wie Williams-Sonoma und Sur La Table und der Institution der Starkoch .
Freeganer
Freeganer sind politisch motiviert. Sie essen grundsätzlich alles, aber nur Lebensmittel die nicht kommerziell erworben wurden, also nicht aus dem Handel stammen. Freeganer sind Aktivisten die sich von geschenkten, selbst angebauten oder gefundenen Produkten ernähren. Damit wollen sie auf das Konsumverhalten der Mitmenschen und auf Armut aufmerksam machen.
Frutarier
Frutarier ernähren sich vorwiegend von pflanzlichen Produkten. Sie wollen aber nicht, dass die Pflanzen durch sie leiden. Deswegen darf die Pflanze, von der das Obst, die Nüsse und die Samen stammen, nicht beschädigt werden. Eine Gruppe der Frutaner isst nur das Obst, welches bereits vom Baum gefallen ist. Oft sind sie geleitet von religiösen, ethischen oder spirituellen Motivationen. Frutarier laufen Gefahr sich zu einseitig zu ernähren, weil sie sich nicht ausreichend mit Zink, Kalzium, Eisen, Vitamin B12, Proteinen und Iod versorgen.
Locavoren
So bezeichnen sich sogenannte Nah-Esser. Sie essen Lebensmittel aus der nahen Umgebung. Ihre Argumente für den möglichst regionalen Bezug sind: verkürzte Transportwege, ein verringerter CO2 Abdruck und eingesparte Energie. Regional sei das neue Bio heißt es auch immer öfter in den Vermarktungsstrategien einiger Produkte. Elmar Schlich, Prozesstechniker an der Uni Gießen hat das mal näher untersucht und festgestellt, dass regional nicht unbedingt klimafreundlicher sein muss. Für Äpfel z.B., die über einen längeren Zeitraum in Kühlhäusern unter sauerstoffarmer Atmosphäre gelagert werden damit sie schön frisch bleiben, gilt das nicht. Ein Kilogramm regionaler deutscher Apfel ist, abhängig von Jahreszeit und Betriebsgröße, mit 40 bis 200 g CO2 belastet. Wenn deutsche Äpfel so lange gelagert werden, brauchen sie ebenso viel Energie wie eine Schiffsladung aus Ländern der Südhalbkugel (Das ist an Bio wirklich Bio, „Die Zeit“ v. 22.3.2012).
Lohas
In den USA wurde das Phänomen im Jahr 2000 erstmals von dem Soziologen Paul Ray in dem Buch „The Cultural Creatives: How 50 Million Are Changing The World“ beschrieben, in Deutschland wurde es durch Eike Wenzel und durch Matthias Horx’ Zukunftsinstitut mit der Studie „Zielgruppe Lohas“ 2007 populär.
Manchen Kritikern erscheint die Verknüpfung von hochwertigem Konsum mit Nachhaltigkeit fragwürdig. Einige traditionelle Umweltaktivisten sehen darin nur einen neuen Versuch von Konsumismus. Andere wie der Kulturwissenschaftler Nico Stehr dagegen loben die neue Macht von „Moralisten“ und den gut vernetzten, globalen Trend, der durch bewussten Konsum und Verzicht Druck auf die Industrie ausüben könne.
Als eine weitere Untergruppe der LOHAS zeichnen sich die PARKOS (Partizipative Konsumenten) ab. PARKOS sind LOHAS, die aktiv das Internet nutzen.
Lovos
In Anlehnung an LOHAS wird der Lebensstil des Einfachen Lebens auch als LOVOS (Lifestyles of Voluntary Simplicity, Lebensstile der freiwilligen Einfachheit bzw. Downshift) bezeichnet. Die Motive überschneiden sich, wobei LOVOS-Vertreter einen bewussten Konsumverzicht anstreben. In den Vereinigten Staaten wird zudem der Begriff Scuppie (Socially conscious upwardly-mobile people, dt. sinngemäß sozial bewusste aufstrebende Menschen) verwendet.
Paleorianer
Sie essen wie die Steinzeitmenschen, also Fleisch, Beeren, Nüsse und Gemüse, aber alles unverarbeitet. Die Ernährung basiert auf Lebensmitteln, die in ähnlicher Form vor ca. 10 000 Jahren zur Verfügung standen, zur Altsteinzeit. Es ist natürlich völlig illusoriasch anzunehmen, dass unsere heutigen Lebensmittel dem noch entsprächen. Dafür ist einfach viel zu viel „optimiert“ worden. Im Blog Paleo 360 findet man aber Wegweiser: »Paleo orientiert sich an der ursprünglichen Ernährung der Jäger und Sammler, ahmt diese mit den heute verfügbaren Lebensmitteln nach und setzt einen verstärkten Fokus auf hohe Lebensmittelqualität und Nachhaltigkeit. Zusätzlich gibt es sogar schon Kochbücher dazu von Sabine Paul, Daniel Green, Nico Richter, Diane Sanfilippo usw.. Die braucht man wahrscheinlich auch, ist ja schon ungewöhnlich.
Peganer
Eine Kombi aus Paleorianern und Veganern. Sie essen Gemüse, pflanzliche Fette, Obst, Nüsse und Samen. Der Verzicht auf alle Getreide, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte könnte dabei zu einer Unterversorgung an Nährstoffen führen. Man muss sich sehr gut informieren, um hierbei keinerlei Mangel mit der eher einseitigen Ernährung hervorzurufen und ggfs. Vitamine und andere wichtige Inhaltsstoffe wie Zink, Eisen, Magnesium … in Tablettenform dem Körper zuführen.
Pescetarier
Pesce heißt Fisch auf italienisch und wie der Name schon sagt, Pescetarier essen hauptsächlich Fisch. Auf das Fleisch von warmblütigen Tieren verzichten sie hingegen ganz, weshalb sich viele von ihnen zu den Vegetariern zählen. Bei den „echten“ Vegetariern heizt das große Diskussionen an. Pescetarier sind teilweise auch als Ovo-Lacto-Pesco-Vegetarier bekannt: Kein Fleisch, Eier, Milch und Fisch sind aber erlaubt. Wer sich tatsächlich als Vegetarier bezeichnen darf und wer nicht, ist umstritten.
Tatsache ist, dass immer mehr Menschen auf Fleisch verzichten; zum Teil aus ethischen oder religiösen Gründen, weil Ihnen Fleisch einfach nicht schmeckt oder aus gesundheitlichen Gründen. Pescetariern essen aus ethischen Gründen keine Tiere, finden den Verzehr von Fisch aber vertretbar und manche mögen Fisch einfach lieber.
Puddingvegetarier
Du bist was Du isst, heisst es, in diesem Falle ist es ironisch gemeint; die sogenannten „Pudding-Vegetarier“ sehen ganz und gar nicht wabbelig wie ein Pudding aus. Sie lehnen tierische Produkte ab damit kein Tier zu Schaden kommt. Vitamine, Ballaststoffe, Mineralien und andere wichtige Nährstoffe haben sie gar nicht im Blick; Sie ernähren sich daher oft sehr einseitig und wirken schlank.
Rohköstler
Die Vertreter der rohen Kost ernähren sich vornehmlich oder ausschließlich von ungekochten pflanzlichen, teilweise auch tierischen Lebensmitteln. Lebensmittel, die durch erhöhte Temperatur hergestellt wurden, wie z.B. Trocken-früchte, Honig, kalt gepresste Öle, Trockenfleisch, bestimmte Nüsse essen sie auch. Kaltgeräucherte Speisen, essigsaures oder milchsaures Gemüse werden ebenfalls mit einbezogen.
Rohköstler gehen davon aus, dass längeres Erhitzen wichtige Stoffe wie Vitamin C oder ungesättigte Fettsäuren in Lebensmitteln zerstört. Doch auch hier Achtung, oft fehlt die abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung bei reiner Rohkosternährung, so dass es zu Mangelerscheinungen führen kann. Pure Rohköstler verzichten beispielsweise auf gekochte Hülsenfrüchte, die reich an Proteinen sind.
Veganer
Kein Fleisch, keine Eier, keine Milchprodukte, keinen Honig heisst es, für eingefleischte Veganer. Auch Kleidungstücke aus Pelz, Leder oder Wolle, Medikamente oder sonstige Produkte die tierische Anteile in sich vereinen lehnen sie mitunter ab. Veganer sind die konsequentesten Vertreter der Tierschutz-Fraktion. Viele gehen auch nicht in den Zoo, in Zirkusse mit Tierhaltung oder besitzen Haustiere. Sinéad O’Connor soll sich vegan ernähren. Auch die Veganer leiden häufig an Vitamin B 12 Mangel- siehe Vegetarier.
Vegetarier
Vegetarier essen grundsätzlich kein Fleisch. Sie spalten sich aber in zwei Gruppen: die Ovo-Lacto-Vegetarier und die Lacto-Vegetarier. Ovo-Lacto-Vegetarier verzichten auf Fleisch, Eier, Honig und Milchprodukte sind allerdings erlaubt. Die knallharten Lacto-Vegetarier essen weder Fleisch noch Eier oder Eierspeisen.
Auswirkungen auf die Gesundheit: Laut den Ergebnissen einer 21 Jahre anhaltenden Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums wirkt sich eine vegetarische Ernährungsweise kaum positiv auf das Sterberisiko aus. Die Wissenschaftler verglichen die Daten mit Probanden, die ab und zu Fleisch konsumieren. Professor Jenny Chang-Claude, Leiterin der Studie, betont: „Beide Gruppen unterschieden sich jedoch aufgrund ihres insgesamt sehr gesundheitsbewussten Lebensstils deutlich von der Allgemeinbevölkerung“. Angeblich sind auch Prince, Boris Becker und Brad Pitt Vegetarier.
Meist leiden Vegetarier jedoch an starkem Vitamin B12 Mangel, so der Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl. Dieser Mangel kann zu schweren Nervenschäden führen wenn er nicht rechtzeitig entdeckt wird, weil Vitamin B 12 die Schutzfasern um die Nerven mit versorgt. Ohne diese Viramin bilden sie sich zurück. Der Mangel wird spürbar durch ein Kribbeln in den Gliedmaßen, Konzentrationsschwächen, Stimmungsschwankungen, chronische Gastritis… (Quelle: NDR Visite 17.2.2015)
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