
Hamburg, 7. März 2016 – Die Abstimmung über die europäische Wiederzulassung für das wahrscheinlich krebserregende Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat um weitere 15 Jahre durch den zuständigen Ausschuss der EU (Standing Committee on Plants, Animal Food and Feed) ist bis auf weiteres verschoben worden, nachdem die EU-Kommission keine Mehrheit unter den Mitgliedsstaaten für die Zulassung finden konnte. Es kommentiert Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Dr. Dirk Zimmermann: „Dass die EU die Entscheidung über die weitere Zulassung von Glyphosat aufschiebt, ist ein richtiger Schritt. Solange Experten der Weltgesundheitsorganisation das Agrargift als wahrscheinlich krebserregend einstufen, sollte das Gift weder neu zugelassen noch eingesetzt werden.
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt und die Bundesregierung haben nun Zeit, ihre Position neu zu überdenken und Stellung zu beziehen. Statt Politik im Interesse der Agrochemie-Industrie zu machen, müssen sie im Sinne des vorsorglichen Umwelt- und Verbraucherschutzes den Einsatz von Glyphosat in Deutschland verbieten. Ein grundsätzlicher Wandel in der Landwirtschaft ist unumgänglich. Agrarökologische Methoden müssen den Griff zur Giftspritze ablösen.“
Wenn Glyphosat durchkommt, dann vielleicht auch TTIP. Im April kommt Barack Obama zu Besuch nach Deutschland. Der amerikanische Präsident und die Bundeskanzlerin werden auch über TTIP sprechen. Bis Ende 2016, so hieß es, wolle man das Freihandelsabkommen verabschieden. Das wäre für die europäische Landwirtschaft, für den Datenschutz, für den Verbraucherschutz und für vieles andere mehr katastrophal, wird befürchtet. Die Kontrolle über Recht und Gesetz läge zukünftig nicht mehr beim Staat sondern bei der Industrie – Beispiel Vattenfall und der Ausstieg aus der Atomindustrie. Es käme zu Schiedsgerichtsverfahren die sich jeglicher Kontrolle durch den Staat entzögen. Die geheimen Verhandlungen von TTIP, CETA und CESA machen diese Abkommen undurchschaubar. Sie vermitteln ein Gefühl von Unsicherheit, als sprünge man über einen Graben ohne vorher zu wissen wie tief und auch wie breit er ist.
PM BUND, Bund für Umwelt und Naturschutz:
Nein von Deutschland zur EU-Wiederzulassung von Glyphosat gefordert. Umweltgefahren unbestritten, Gesundheitsbedenken nicht ausgeräumt
Brüssel/Berlin: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte die Bundesregierung auf, bei der morgigen Abstimmung der Mitgliedsstaaten eine erneute EU-weite Zulassung des von der Weltgesundheitsorganisation als wahrscheinlich krebserregend eingestuften Pestizids Glyphosat abzulehnen.
„Es ist zu erwarten, dass mit Schweden, Frankreich und den Niederlanden mindestens drei Länder bei der Entscheidung über die Wiederzulassung eine kritische Haltung einnehmen werden. Sollte Deutschland als für die Bewertung der Risiken von Glyphosat in der EU zuständiges Land diesem Pestizid einen Persilschein ausstellen, trägt Bundesagrarminister Christian Schmidt die Verantwortung für die Folgen. Die Gefahren des Glyphosat-Einsatzes für die Umwelt sind unbestritten und die Gesundheitsbedenken sind gravierend. Die Menschen und die Umwelt dürfen diesem Pestizid nicht länger ausgesetzt werden“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.
Die EU-Kommission räume mit ihrer Genehmigungsvorlage ein, dass die Bewertungen nicht abgeschlossen seien, ob Glyphosat hormonelle Wirkungen auf den Menschen habe. „Offenbar gibt es Datenlücken, denn noch bis August dürfen die Hersteller entsprechende Informationen nachreichen. Doch bereits jetzt soll entschieden werden, ob in 28 EU-Staaten für weitere 15 Jahre ein wahrscheinlich krebserregendes und möglicherweise den Hormonhaushalt störendes Pestizid zugelassen wird. Hormonell wirksame Stoffe sind nach EU-Recht nicht genehmigungsfähig. Es drängt sich der Verdacht auf, dass im Sinne der Glyphosat-Hersteller Tatsachen geschaffen werden sollen, um die Wiederzulassung nicht zu gefährden. Solange nicht zweifelsfrei erwiesen ist, dass Glyphosat gesundheitlich unbedenklich ist, muss das Vorsorgeprinzip greifen. Vorsorge heißt, Glyphosat darf nicht wieder zugelassen werden“, sagte der BUND-Vorsitzende.
PM Slow Food:
Slow Food mahnt EU-Mitgliedsstaaten die Wiederzulassung von Glyphosat in Europa zu verhindern. Am 7. und 8. März 2016 wird der Ständige EU-Ausschuss zu Pflanzen, Tieren, Lebens- und Futtermitteln (PAFF Committee) die Wiederzulassung von Glyphosat – dem weltweit am meisten verbreiteten Herbizid – für weitere 15 Jahre erneut bewerten.
Carlo Petrini, Päsident von Slow Food International, sagt dazu: “Es gibt keinen Spielraum für Kompromisse. Wir müssen entscheiden, ob wir die Zukunft unserer Nahrung in die Hände der chemischen Industrie legen. Diese verspricht, den Planeten zu ernähren – was nach den Hundertausenden Tonnen von Glyphosat, welche jedes Jahr verkauft wird – eher ein Vorwand für offensichtlich wirtschaftliches Interesse scheint. Oder ob wir eine Politik wählen, welcher die Gesundheit der Verbraucher und den Umweltschutz in den Vordergrund stellt.”
Der Einsatz von Glyphosat steigt derzeit weltweit und entfacht eine heftige Debatte über die (Un)-Schädlichkeit des weltweit meistverkauften Unkrautvernichters, dessen Spuren in Obst und Gemüse, in Getreideprodukten, in genetisch verändertem Mais und Sojabohnen zur Futtermittelproduktion, in Bierproben und sogar in Bioprodukten nachgewiesen wurden. Rückstände wurden selbst in menschlichem Urin von Verbrauchern gemessen.
Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, kommentiert: “Die Europäische Kommission ist verpflichtet, alle Ergebnisse und Studien zum Thema Glyphosat zu berücksichtigen. Auf die Tatsache, dass die Internationale Agentur für Krebsforschung, teil der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend einstuft, müsste eigentlich ein Moratorium zu diesem Herbizid folgen. Dennoch sieht es so aus, als ob die zuständigen Behörden dem Lobbydruck der Chemieindustrie nachgegeben hätten.” Der Antrag auf Neuzulassung von Glyphosat wurde von der European Glyphosate Task Force eingereicht, einem Konsortium mit etwa zwanzig Antragstellern, unter ihnen Dow AgroSciences, Monsanto Europe und Syngenta.
Shane Holland, Vorstandsvorsitzender Slow Food Großbritannien: “Slow Food hat in Großbritannien lange gegen Glyphosate geworben. Wir haben die stille Hoffnung, dass die EU an diesem Montag entscheiden wird, die Verwendung dieser giftigen Chemikalie einzustellen, oder sie für weitere 15 Jahre zu genehmigen. Die Bürger in ganz Europa sollten sich im Protest vereinen und ihrer Stimme Gehör verschaffen; denn eines ist sicher, die Stimmen der Lobbyisten der Chemieunternehmen werden ebenfalls laut sein.”
Gaetano Pascale, Vorsitzender von Slow Food Italy: “Wissenschaftliche Studien haben vor Kurzem versucht, die Toxizität von Glyphosat aufzudecken. Heute ist es ein Kampf zwischen denjenigen, die zurück zu einer saubereren Landwirtschaft wollen und den multinationalen Chemieunternehmen. Slow Food Italien mahnt zur Vorsicht, um Bürger und Verbraucher zu schützen. Die Europäische Kommission scheint sich hinter dem Mangel an Daten zu den Risiken von Glyphosat zu verstecken. Und dabei ist es doch gerade dieser Mangel an wissenschaftlicher Gewissheit, der die Kommission dazu veranlassen sollte, die Wiederzulassung für die kommerzielle Nutzung zu untersagen.”
Slow Food hat kürzlich die Petition Stop Glyphosate unterzeichnet, gestützt von We Move, und unternimmt Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene, um in Zusammenarbeit mit europäischen Gesundheits- und Umweltorganisationen ein Bewusstsein über die Risiken von Glyphosat zu schaffen.
Um die Petition zu Glyphosat zu unterzeichnen: Petition gegen Glyphosat
Pesticide Action Week vom 20. bis 30. März: Schwerpunkt ist der Einfluss von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und die Notwendigkeit für alternative Lösungen, um die Landwirtschaft umweltfreundlicher und weniger riskant für unsere Gesundheit zu machen.
Foto von Rainer Sturm_pixelio.de
Tags: Glyphosat