L’Année dernière à Marienbad zeigt eine faszinierende, schillernde Liebesgeschichte des französischen Regiesseurs Alain Resnais*. Ganz bewusst löst sich Resnais von der Buchvorlage „La Jalousie“ von Alain Robbe-Grillet, in der die Ereignisse in einer klaren und eindeutigen Ordnung aufeinander folgen.
Resnais bevorzugt den Sprung in die Nouvelle Vague, die damals angesagte neue Welle der Filmkunst, und zaubert mit avantgardistischem Fingerspitzengefühl und kühler Ästhetik eine verwirrende Romanze auf die Leinwand: In einem prunkvollen Barockschloß begegnet ein attraktiver Mann einer wunderschönen Frau und erzählt ihr, sie hätten vor einem Jahr eine irre Affäre miteinander gehabt. Nun träfen sie sich erneut, um gemeinsam ein neues Leben zu beginnen. Doch die Frau, die sich in Begleitung eines anderen gut aussehenden Mannes befindet, kann sich weder an das angebliche Liebesverhältnis noch an das Versprechen erinnern, so sehr sie sich auch bemüht…
Radikal wie kein Film zuvor bricht Resnais’ filmische Übertragung des avantgardistischen Nouveau Roman von Grillet mit traditionellen Strukturen von Zeit, Ort und Kausalität. So einen Bruch mit der Realität findet man zum Beispiel auch bei Magritte; sein Himmel ist quadratisch gemustert- das Foto von dem Herrn mit Melone musste ich aus urheberrechtlichen Gründen leider entfernen.
Die Geschichte ist eine Auseinandersetzung mit der Zeit. Ganz bewusst „ordnet“ Resnais den Film so an, dass jeder Versuch des Zuschauers zur Wiederherstellung einer äußeren Chronologie, diesen früher oder später auf eine Reihe von Widersprüchen stößt, also in eine Sackgasse führt. Ebenso wie die einzige Zeit von Bedeutung die Dauer des Films ist, so ist die einzig wichtige „Person“ der Zuschauer, in dessen Kopf sich die ganze, imaginäre Geschichte abspielt, sagte Resnais in einem Zeit-Interview zu dem Film. Das Werk ist nicht Zeugnis für eine sich außerhalb seiner selbst befindlichen Wirklichkeit, sondern es ist sich selbst eine Wirklichkeit.
Die Ausstellung greift genau das mit den verschiedensten Kunstwerken geschickt immer wieder auf, wie in der Raumkomposition in Raum 5, „Ornament und Idee. Der Sinn der Formen“,
mit dem vergoldeten, überladenem Gold-Spiegel von Jeff Koons, „Christ and the Lamb“ von 1988, aus dessen Banality-Serie, dem bewusst verkitschten Leuchter von Cerith Wynn Evans und Rodney Grahams
„Four Seasons“ Leuchtkasten Diptychon.Ungewöhnliche, minutenlange Kamerafahrten fangen die Widersprüche zwischen den barocken Details und der klaren Ästhetik in der Weite der Drehorte,
in den Schlössern Schleißheim, Nymphenburg und Amalienburg, ein. Diese stilisierte Welt wirkt irgendwie künstlich, der Wirklichkeit enthoben und kalt. Die Figuren mutieren fast zu Tableaux Vivants (lebende Bilder), deren stilvolle Kostüme die Modeschöpferin Coco Chanel entwarf. Karl Lagerfeld bediente sich bei seiner Modestrecke für Marie Claire 2011 an der Szenerie und entwarf Kleider passend zur Schloßromantik.
Als ein hochartifizielles und mit Bedacht inszeniertes Konstrukt spielt der Film mit der künstlerischen Sprache, in der Stil selbst zum Inhalt wird.
Der Film feierte Anfang der 60iger Jahre internationale Erfolge; 1961 wurde Letztes Jahr in Marienbad in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.
Das Gemeinschaftswerk von Robbe-Grillet und Resnais wirkte sich nicht nur prägend auf bestimmte große Filmregisseure wie Stanley Kubrick, Peter Greenaway, David Lynch oder Lars von Trier aus, sondern es definierte sogar ein ganz bestimmtes Kunstverständnis, das auf die verschiedensten Künstler und ihre Kunstwerke einwirkte. Bis heute ist es aktuell und relevant. Das zeigt die Kunsthalle Bremen in geschickt angeordneten Kunstwerken, der im Marienbad-Film geprägten Nouvelle Vague-Ästhetik, vom beginnenden 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart.
Bis zum 13. März zeigt die Kunsthalle Bremen diese spannende Komposition. Additional dazu wiederholt das Bremer Kommunalkino CITY 46 bis zum Ende der Ausstellung die Filmaufführung: „Letztes Jahr in Marienbad“
*bekannt wurde Alain Resnais mit seinem Film: „Hiroshima, mon amour“, darin setzt er sich mit dem zweiten Weltkrieg und den Auswirkungen der Atombombe auseinander
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