Schon als kleines Mädchen fand Janie Wray nichts faszinierender als den Gesang der Wale. Heute ist sie, genau wie Ihr Exmann Hermann Meuter, Walforscher. Sie und Hermann glauben fest an die Fähigkeit der Wale zur Selbstwahrnehmung und Intelligenz. Das Paar hat sich vor 15 Jahren in Hartley Bay niedergelassen, einer First Nations Community an der Küste von British Columbia. Zehn Jahre lang haben sie dort mit anderen NGO’s gegen den Bau einer Erdölpipeline demonstriert und gekämpft, bis die zerstörerischen Pläne erstmal vom Tisch waren und endlich Ruhe eingekehrt ist. Dort, in der Mündung vom Douglas Channel, tummeln sich jetzt unbeschwert Orcas, Finnwale und seit einiger Zeit auch wieder Buckelwale. Nach Jahren der Unruhe auch durch vorbeiziehende Schiffe und Walfang, der 1969 an der Westküste Kanadas beendet wurde, sind die freundlichen Riesen in ihr „Kinderzimmer“ zurückgekehrt. Die Weibchen ziehen dort eine Saison lang ihre Kälber groß. Das Forscherpaar kennzeichnet die Tiere anhand ihrer unterschiedlichen Schwanzflossen und sie dokumentieren das Verhalten der Wale mit Mikrophonen unter und über Wasser. Es ist faszinierend und ein anderes Leben könne sie sich gar nicht vorstellen, sagt Jane Wray.
Der Film zeigt faszinierende Einblicke in die Natur, in die magische unberührte Schönheit der Landschaft, nur durchbrochen von einem leichten Klicken, genüsslichen Schnaufen oder Schluchzern und Juchzern aus voller Pulle. Die Wale unterhalten sich. Es ist aber kein lauter Kampagnenfilm, eher eine besinnliche Betrachtung über die Wunder der Natur. Immer nur so viel nehmen, wie man braucht, das ist die Devise der Urbevölkerung, der Gitga’at First Nation, die dort heute immer noch leben. Die Forscher und die Urbevölkerung wollen im Einklang mit der Natur leben, was verloren geht, wenn schnöde Profitgier regiert. Als Anerkennung ihrer Integrität wurden die Forscher von den Gitga’ats adoptiert, der Hermann von den „Raven“ und Jane von den „Black Tigers“.
70 Meilen von ihren Forschungsstationen entfernt liegt die kleine Küstenstadt Kitimat. Hier wird seit 2018 nun leider doch eine gigantische Exportanlage für Flüssiggas (LNG) gebaut. Dafür werden Bäume gefällt und Naturflächen gerodet. Die Firma, die dort baut behauptet zwar es werde alles im Sinne von Natur und Umwelt geschehen, aber das sei eine große Lüge erzählt die Produzentin des Films Mirjam Lenze. Auf Supertankern soll das Gas nach Asien exportiert werden. Was der Lärm und Verkehr für die Wale bedeutet ist nicht abzusehen.
Auch die Gitga’at First Nation, die in dem kleinen Ort Hartley Bay leben, haben sich nach einem zehnjährigen Kampf dem Druck von Industrie und Regierung gebeugt und zugestimmt, dass zukünftig Hunderte von Supertankern durch die Fjorde ihres Territoriums fahren werden.
In den Geschichten der First Nations, den ersten Bewohner*innen dieser Küste, wird das Meer als „Unterwasserkönigreich“ beschrieben. „Orca Chief“ wacht über die Meereswesen und weist respektlose Menschen in ihre Schranken. In einer animierten Sequenz, erzählt mit Bildern des Künstlers Roy Henry Vickers, macht die Geschichte von Orca-Chief klar, dass es in dieser Region auch um verschiedene Konzepte unserer Welt geht: Die industrielle Nutzbarmachung des Meeres versus dem Meer als Nahrungsquelle, das es langfristig zu erhalten gilt.
In ihrem Film wirft Regisseurin Mirjam Leuze die Frage auf, ob wir Menschen das Recht haben, die Welt ausschließlich nach unseren Bedürfnissen zu formen? Was wäre, wenn Selbstwahrnehmung, Mitgefühl und Denken nicht ausschließlich menschliche Fähigkeiten wären?
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