Ganze 17 Tage sind sie in ihren Eiern in Sicherheit. So lange braucht der kleine gelbe Federbausch in der Brutmaschine, bist er sich schließlich am 21. Tag, im Dämmerlicht der Brüterei, stundenlang mühevoll aus seiner Schale kämpft. Noch etwas feucht von seiner Nährlösung im Ei, kommt das Hühnerbaby auf die Welt und findet nach dieser Strapaze keine treu sorgende Henne vor, unter deren Gefieder er sich kuscheln und ausruhen kann, sondern eine kalte Kiste. Zusammen mit einem Schwung Leidensgenossen quetscht er sich da hinein und piepst, wie das eben alle Küken ganz automatisch tun.
Gegriffen von schnellen Händen wird die piepsende Kiste in den nächsten Stunden umgedreht und auf’s Förderband geworfen. Neue Hände kommen und schauen ob das Hühnerbaby ein Hahn oder eine Henne ist. Das Verhältnis männlich/weiblich ist etwa fifty-fifty, also 50% sind männlich. Diese Hähne wachsen zu langsam. Zudem haben sie auch nicht genug Fleisch für die industrielle Hühnerfleischproduktion. Die wird inzwischen nur noch mit sogenannten Hybriden bedient. Das ist eine spezielle Zucht von Hühnern die soviel Fleisch ansetzen, dass sie sich nach einiger Zeit nicht mehr auf den Beinen halten können. Sie sind zu schwer für ihre filigranen Gelenke. Da der Verbraucher am liebsten Brust isst, hat man diese Industrie-Rasse so lange immer wieder gekreuzt, bis die Brust immens groß wuchs. Die Tiere fallen vorne über. So hocken sie in ihrem End-Wachstums-Stadium meist nur noch auf ihrer Brust und robben höchstens ein wenig vor und zurück. Außerdem hat man ihnen das Sättigungsgefühl weg gezüchtet. So fressen sie rund um die Uhr und wachsen schneller für die Fleischproduktion. Jeder Tag kostet und der Verdienst ist in der Produktion gering.
In den Legehennenbatterien wachsen Hennen heran die statt wie früher normal 100 Eier im Jahr, jetzt über 300 Eier im Jahr legen müssen. Die armen Tiere sind nur noch dazu da alles an Kalk und Eiweiß in ihrem Organismus zusammenzukratzen, um jeden Tag ein Ei zu produzieren – ohne Pause. Die Rasse die die XXL-Eier legen, können einem besonders leid tun, diese Eier sind wirklich riesig für so ein zierliches Huhn. Nach einem Jahr sind die Hühner so am Ende ihrer Kraft, obwohl sie normalerweise 6-8 Jahre alt werden können. Immerhin dürfen sie am Leben bleiben, während ihre „Brüder“ noch auf dem Fließband zum Tode verurteilt werden. Ganz unbeschadet haben das auch die kleinen Hennen bisher nicht überstanden. Nach der Sortierung werden ihnen nämlich noch die Schnäbel abrasiert – eine äußerst schmerzhafte „Operation“. Der Schnabel ist durchsetzt von Nerven. Hühner brauchen ihren Schnabel für die natürliche Nahrungssuche. Damit sie sich in der Masse aus Frust und Angst nicht gegenseitig anpicken, schneidet man ihnen in der industriellen Tierhaltung die Schnäbel ab. Das soll ab diesem Jahr nicht mehr passieren. Minister Meier hat es in Niedersachsen ab 2017 verboten. Wenn alle Bundesländer nachzögen, dann dürften 65 Millionen Hennen immerhin ihre Schnäbel behalten.
In Deutschland trifft das auf 45 Millionen Küken zu, so viele sind männlich. Das Küken schreddern verstößt gegen das Tierschutzgesetz und ist selbst unserem Landwirtschaftsminister Christian Schmidt ein Dorn im Auge. Auf der grünen Woche stellte er ein Verfahren vor bei dem die Hühnereier im Alter von drei Tagen sorgfältig aufgeschnitten werden, um dann mit einem Lasergerät vorsichtig das Geschlecht zu bestimmen. Wie einer der Wissenschaftler vor Ort erzählte ist das System noch lange nicht reif. Es gibt noch eine Fehlerquote von 6-8 %. Selbst wenn die Wissenschaft es in den nächsten zehn Jahren schafft diese Maschine zu perfektionieren, würde es ganz schön teuer werden; das heisst, die kleineren Brütereien fielen womöglich hinten über. Es blieben wieder nur die großen Betriebe übrig. Die als männlich erkannten Eier kämen in die Industrie, in die Kompostierung oder in die Tierfutterverwertung. Selbst wenn dann keine Küken mehr vergast oder geschreddert werden würden, macht es wirklich Sinn? Geht es den Hühnern denn dann besser? Oder den Küken? Oder leistet diese Maschine nur einem System Vorschub welches sich als nicht haltbar erwiesen hat? Welches revolutioniert werden sollte? Welches vielleicht ganz abgeschafft werden sollte?
Foodwatch Tierarzt Matthias Wolfschmidt stellt diese und weitere interessante Fragen in seinem 9/2016 Buch erschienenen Buch „Das Schweine System“. Er nimmt die Nutztierhaltung in Deutschland unter die Lupe mit Blick auf die Gesundheit der Tiere und der Verbraucher…
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