1914: Diese kleine „Deutsche“ ist etwas ganz Besonderes: handzahm, leicht und unauffällig verschwand sie schnell in jeder Manteltasche. Man brauchte kein Stativ mehr. Das war nicht einfach nur eine Kamera, das war eine Revolution! Die erste mit einem versenkbaren Hochleistungsobjektiv ausgestattete Kleinbildkamera und damit die geradezu geniale Begleiterin für Reporter und Bildjunkies; einfach genial für journalistische Reportagen, Dokumentationen und Schnappschüsse:
Immer nah dran, wegen der begrenzten Brennweite und daher authentisch und emotional, damals wie heute. Manche Bilder sind weltberühmt, wie das Foto vom Seemann und der Arzthelferin auf dem Times Square in New York, vom Tag der Kapitulation 1945. Es erschien im Life Magazin.
Die Bilder wirken sehr lebendig und sie sind zeitlos, z.B. das Foto von Kate Moss. dieser schelmische Blick… Paolo Roversi hat es absichtlich unscharf aufgenommen.
Einziger Nachteil der kleinen Schnellen, sie war enorm erklärungsbedürftig: sie drehte auf 35 mm Kinofilm, der musste aufgespult und entwickelt werden. Das war nicht einfach. Genial war das Filmformat, 36 Schüsse in Serie und damit die erste Serienbildkamera.Sonst ähnelt die flexible Handschmeichlerin von damals den fotostarken Smartphones von heute, nur drehte sie lange auf Film. Heute gibt es natürlich die Leica digital.
Die Ausstellung AUGEN AUF! – 100 JAHRE LEICA FOTOGRAFIE ist eine spannende Zeitreise durch 550 Fotos, ‚geschossen‘ von 140 Fotokünstlern. Drei der Fotografen kamen heute morgen zur Eröffnung: FC. Gundlach, Ulrich Mack und Paulo Nozolino.
Paulo Nozolino fotografiert seit 40 Jahren mit der Leica: „Mit 20 sah ich die Leica M2 in London, und ich wusste sofort, das ist sie. Es ist wie mit einem Auto oder einem Anzug, es muss einfach zu einem passen. Ich habe sie gekauft.“ Nozolino hat Auschwitz fotografiert und Sarajevo. Mit meinem Handy hat er mir ein Foto von seinem Sarajevo Bild gemacht – double Happyness!
Der ebenfalls in Hamburg lebende FC Gundlach ist bekannt für seine Modefotografie.
Die Ausstellung zeigt die unterschiedlichsten Entwicklungen und Blickwinkel mit der Leica. Weil sie so klein ist konnten einige Fotografen sie auch über den Krieg retten, wie Eva Kemlein, die sich in einer Laubenpiperkolonie versteckte und gleich nach dem Krieg wieder fotografierte, wie z.B. Trümmerfrauen von einer Blaskapelle beim Aufräumen begleitet werden.
Die Ausstellung zeigt in 14 Kapiteln die Aspekte der Kleinbildfotografie − von journalistischen Strategien über dokumentarische Ansätze bis hin zu freien künstlerischen Positionen. Es geht um Autorenfotografie, Dokumentations- und Modefotografie.
Darunter viele Arbeiten international bekannter Fotografen,
wie den Sidewalk von Jeff Mermelstein,
oder die Beatles aus der Sammlung von Christian Skrein.
Den Fotojournalisten von Andreas Feininger von 1951 ; das Selbstportrait von
Ilse Bing von 1931, die sich mit ihrem ersten Selfie als unabhängige, moderne Frau präsentiert- die Leica war ein Symbol für eine neue Weltsicht, dynamische,moderne Leute!
Oder auch das Foto von Frank Horvat von 1958 für Givenchy: Hat for Jardin des Modes, Paris
und natürlich nicht zu vergessen, das Foto von Che Guevara
Kurator Hans-Michael Koetzle kennt jedes Foto. Viele Fotografen kennt er persönlich. Er schrieb ihnen Texte und sie entlohnten ihn dann zuweilen mit ihren Arbeiten. Eine Führung mit ihm lohnt sich. Er erklärt gut und gerne die Hintergründe und die Entwicklung dieser interessanten Bilddokumente. Ein Buch hat er auch geschreiben, bzw. einen begleitenden Bildband.
BUCH
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreiches, reich bebildertes Buch im Kehrer Verlag mit Texten von Alejandro Castellote, Michael Ebert, Peter Hamilton, Anton Holzer, Thomas Honickel, Hans-Michael Koetzle, Franziska Mecklenburg, Rebekka Reuter, Ulf Richter, Christoph Schaden, Emília Tavares, Enrica Viganò, Bernd Weise, Thomas Wiegand. Hg. Hans-Michael Koetzle. 576 Seiten, rund 1.200 Abbildungen, 98 Euro.
Hamburg ist nur der Auftakt dieser grandiosen Wanderausstellung. Bis zum 11.Januar bleibt sie an der Küste, dann zieht sie weiter nach nach Frankfurt, Berlin, Wien und München.
Link zur Ausstellung in den Deichtorhallen Hamburg
alle Fotos copyright Deichtorhallen bzw. die jeweiligen Fotografen
Tags: die einst kleinste Reportagekamera der Welt Leica