Dadaismus- möglichst schön schräg, so fing es mal an, mehr als eine Art Haltung, denn als Kunstrichtung. Der ‚wilde Club der Dadaisten‘ brach mit den üblichen Gepflogenheiten der Gesellschaft, stellte Konventionen begeistert auf den Kopf und mischte die Society frech und provokativ auf. Es ist die mit Humor verabreichte Dosis Kritik, an dem oft als zu rational empfundenen Bürgertum, die auch heute noch den Charme dieser Bewegung ausmacht. Umso interessanter, wie alles anfing, bei den als ‚gesittet‘ geltenden Schweizern, in einer kleinen Gasse in Zürich mit Hugo Ball und Emmy Hemmings. Ein Paar, das vor den Wirren des ersten Weltkrieges und der Steifheit des industriellen Bürgertums 1915 von Deutschland nach Zürich floh. Mitten im Tingeltangel von Varieté und Umbruch eröffneten die beiden im Februar 1916, in der Spiegelgasse 1, in Zürich das Cabaret Voltaire. Dementsprechend hoch ging es her. Während eine 20-köpfige Balalaika Band spielte hatte das Publikum Narrenfreiheit. Emmy Hennings, eine drogenabhängige ‚Dame‘ aus dem Milieu, mit vielen bunten Kontakten und Hugo Ball, der etwas einsame Sohn eines Schuhfabrikanten aus
Pirmasens, ergänzten sich fantastisch. Zusammen kreierten sie eine recht ungewöhnliche Mischung. Angefixed von Emmys lockerem Lebenswandel entwickelte Ball nun seinerseits gewagte Darstellungsformen. Legendär war sein Auftritt in seinem kubistischen Kostüm, einer Art Mischung aus Kardinal und Klo-Rolle, in dem er dem stauenenden Publikum sein Lautgedicht „Gadji-Beri-Bimba“ vortrug. Dieser Auftritt gilt als Geburt der Performance. Über die Lautgedichte reflektierte man den Irrsinn des Krieges. Ball und Hemmings setzten mit ihren komplexen Inszenierungen und Ideen einen Virus in Umlauf, der sich von Berlin, über Paris nach New York ausbreitete und bis heute ein Teil der Avantgarde ist. Es schubste eine Kunstrevolution an, die sich seit dem durch die Zeit performt und immer neue Richtungen prägt. Surrealismus, Pop Art, Punk, wären ohne den Dadaismus wohl nicht denkbar. Marcel Duchamp schockt New York indem er eine simples Urinal signiert, es mit „Fountain“ tituliert und dann als Kunstwerk erklärt. It’s Readymade, verändere einen Alltagsgegenstand nur minimal und erkläre ihn zur Kunst. Duchamp hat damit die Konzeptkunst ins Leben gerufen. Kurt Schwitters gründet gleich einen eigenen Ableger in Hannover. Max Ernst mit seiner „chinesischen Nachtigall“ und Hans Arp gelten auch als bekannte Verfechter dieses etwas unberechenbaren Stils. Eng mit dieser Richtung verbunden ist auch der Maler Francis Picabia, der immer wieder gerne in ‚Öffentlichkeit‘ agiert, in dem er sich in Restaurants Botschaften ins Gesicht schreibt, wie Raoul Hausmann. Dada-Baronesse Elsa von Freytag-Loringhoven inszenierte sich mit «I am art» in den Strassen New Yorks als lebendiges Kunstwerk. Das Frauen damals noch den Status der braven Hausfrau leben sollten ignorierte die Baroneß geflissentlich. Sie genoss den öffentlichen Auftritt, behing sich gern mit leuchtendem Gemüse und sorgte schon lange vor Lady Gaga für Aufmerksamkeit. Marilyn Manson und Lady Gaga in ihrem spektakulären Fleischkleid Lady Gaga, MTV Awards 2010 in Fleisch sind die aktuell bekennende Dadaisten. „Das idiotische, der selbst gewählte Wahnsinn ist der Spiegel einer wahnsinnigen Zeit“, beschreibt der schweizer Juri Steiner, Organisator und Kurator der vielen Dadaausstellungen in Zürich die Bewegung. Doch Dada ist viel mehr
Für sein Buchprojekt sammelte Tristan Tzara (Samuel Rosenstock, ein rumänischer Schriftsteller und Mitbegründer des Dadaismus) bis 1921 etwa 200 Werke des Dadaismus und wollte sie immer in seinem Buchprojekt „Dada Globe“ zusammenfassen. Was er nicht geschafft hat, das versucht das „Kunsthaus“ Zürich in seiner aktuellen Ausstellung nachzuholen, Link: Kunsthaus Zürich
Zum 100 Geburtstag der Bewegung hat die Stadt Zürich auch einiges gebacken, Link: Dada in Zürich
Beitragsbild: © Ipek & Bálint = die Waschmaschine Gruppe; es dekoriert u.a. diese Einladung zum Festival: It starst at 8:58pm on Saturday, 5th March 2016, but you may come any time 😉 Link: Dada Ball Zürich
Bildrechte Bild 1. und 2.: © VG Bild-Kunst, Bonn 2016
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