
Eben noch hörte man in Hamburg Beethovens 9. in der Elbphilharmonie. Eine eher leise Ode an die Freude, gekonnt getaktet von Kent Nagano, für die Staatsoberhäupter zum G20. Um einiges lauter waberten gleichzeitig mehrere 10.000 eher fröhlich, friedlich protestierende Bürger durch die Stadt. Mit Liedern, Plakaten, tanzend, kreativ und humorvoll verkündeten sie ihren Unmut über die ganz und gar inakzeptablen Machenschaften einiger partizipierender Staatsoberhäupter. Entsetzlich laut wüteten zwischendrin einige verstreute Gruppen von hemmungslosen Autonomen durch zwei, drei, vier … Hamburger Stadtteile. Ein paar tausend schwer bewaffnete, zum Teil aufgebrachte Polizisten, gingen da gegenan. Ein Schutz und Wehr- Kommando. Dieser „explosive Mix“ lieferte erschreckende Bilder von Brandschatzungen, Plünderungen, hemmungsloser Wut und Zerstörung. Viele wurden von ausserhalb gefragt, ob es Ihnen gut ginge, ob auch alles in Ordnung sei, nach diesen Schreckens-Bildern die vom G20 in Hamburg um die Welt gingen. Ein Stigma von sinnloser Gewalt, Grauen, Gefahr, und das im hanseatisch zurückhaltenden, liberalen Hamburg – ein Bild mit dem man sich größtenteils nicht identifizieren möchte, auch wenn man die Wut dahinter verstehen konnte. Die wichtigen G20 Themen gingen dabei fast völlig unter.
Knapp zwei Wochen später, die Stadt ist noch dabei aufzuräumen und ihre Wunden zu lecken, da schweben die Cambridges ins Land, strahlend, schön, herzlich! Eine neue, modernisierte Royalty, vor dreißig Jahren angeschoben von Lady Diana.
Besonders empfänglich für diese Wärme zeigen sich die Straßenkinder im Jugendheim Bolle in Berlin-Marzahn, ein Wunschtermin des Prinzenpaares. Wochenlang haben sich die benachteiligten Kinder sorgfältig vorbereitet. Sie paukten begeistert englische Vokabeln weiß die Bild, und überlegten ernsthaft was sie Kate and William alles sagen wollen. Die Wochen der Vorbereitung sind für die Kinder gefüllt mit Glanz und Glamour im sonst eher grauen Osten von Berlin. Tage, Stunden die die Kinder und Jugendlichen genüsslich ausschmückten mit Plänen und Träumen. Und dann kommt es sogar noch viel besser als geträumt. Die jungen Royals zeigen Gefühle und Nähe, sie lassen sich anfassen. Prinz William gab fünf, die flache Hand mit Klaps zum Gruß, und die Prizessin oder Herzogin öffnete liebevoll ihre Arme. Erst für ein kleines Mädchen, dann für einen kleinen Flüchtlings-Jungen aus dem Irak, der mutig für die Hoheit nach vorne stürmte. Er, der sicher schlimme Erlebnisse mit sich herum schleppt, fasst sich ein Herz und holt sich gekrönte Liebe, unkompliziert und ohne Scheu, was für ein Highlight! Und dann noch ein kleiner Junge. Ganz schnell, bevor die Prinzessin wieder entschwindet, schlüpft er durch die Beine der Security und ergattert sich auch noch seinen Knuddler- mutig, voller Vertrauen, einfach sorglos, was kost die Welt. Wird dieses Erlebnis den Kindern helfen? Wird es Ihnen nicht Mut machen für alles was noch kommt? Öffnen diese Bilder nicht alle Herzen, auch unsere wieder?
In Hamburg ist man immer noch dabei die Scherben zusammen zu fegen. So schnell gehen die Bilder gar nicht weg; besonders auch bei den betroffenen Kindern in der Schanze und auf St. Pauli nicht. Sie haben die Übergriffe aus nächster Nähe mit erlebt. Da gäbe es viel aufzuarbeiten, erklärt ein besorgter Elternteil auf einer Versammlung der Anwohner. Die haben sich in den Räumlichkeiten vom FC St. Pauli in der letzten Woche spontan getroffen. Man will miteinander reden und die Lage klären. Bei der Diskussion wird deutlich wie stark sich die Meinungen zwischen den Linken und den übrigen Anwohnern hier unterscheiden. Die Stadteile St. Pauli und Schanze spalten sich in zwei Lager: Die Linken sind für ihre Überzeugung auch mal bereit drastische Methoden anzuwenden. Die Anwohner streben eher gewaltfreie, friedliche Lösungen an. Sie wollen in Frieden in ihren Stadteilen leben, ohne Gewalt und sich nicht verteidigen müssen gegen Chaoten oder Zerstörer. Sie wollen sich auch nicht vor einem eventuellen Nachbarn rechtfertigen müssen, wenn sie gegen das Abfackeln eines Ladens sind. Ihre Kinder sollen ohne Angst aufwachsen und die rote Flora wollen sie friedlich nutzen. In Hamburg und in diesen Stadteilen gibt es noch viel zu klären, zu regeln und zu besprechen.
Dank Kate und William, die voller Vertrauen ihre Kinder Charlotte und George mit nach Hamburg brachten, gibt es nun auch wieder Bilder von Vertrauen und Hamburg, und Zeit für Gefühle und Mitgefühl…
Fotos/Videos Reuters Poolmaterial
Tags: Hamburg ist sicher Kinder und Gefühle Knuddeln mit der Herzogin Royals zeigen den Hanseaten Vertrauen Schanze und St.Pauli