Mitgehangen, mitgefangen, so empfinden wohl viele Milchviehhalter ihre Situation in ihrer Molkerei-Genossenschaft. Was früher mal sinnvoll war, die sogenannte Andienungspflicht, ist bei den volatilen Milch-Märkten zu unflexibel. Sie garantiert dem Landwirt zwar die Abnahme der Milch, bindet ihn aber auch mit der Auschließlichkeitsklausel an einen Kunden und hält den Markt im konstanten Zustand der Beruhigung, unbeweglich und starr. Die Preise bestimmt die Molkerei erst nach der Lieferung. Der Landwirt kann so gar nicht, oder nur schwer reagieren, noch dazu wo der Markt seit langem mit 120 % übersättigt ist. Nun schubst das Bundeskartellamt die festgefahrene Situation an und moniert diese „Knebelverträge“. Am Montag gaben die Wettbewerbshüter die ersten Zwischenergebnisse ihrer seit April letzten Jahres laufenden Prüfung bekannt: Demnach überschreiten die in der Branche üblichen langjährigen Verträge zwischen Milchbauern und Molkereien „den Rahmen des kartellrechtlich Zulässigen“. Die Behörde empfahl der Milchwirtschaft in ihrer am Montag heraus gegebenen Sachstandsmeldung, die veralteten Verträge zu lockern. Unter anderem riet sie zu kurzfristigeren Kündigungsfristen und einer anderen Preispolitik. Der Verband der bäuerlichen Landwirtschaft begrüßt die klare Einschätzung der Wettbewerbshüter.
Das Bundeskartellamt hat 89 private und genossenschaftliche Molkereien befragt, von denen im Jahr 2015 ca. 30,9 Mio. Tonnen Rohmilch erfasst worden sind. Dies entspricht etwa 98 % der Milchanlieferungsmenge. Die Ermittlungen haben ergeben, dass im Jahr 2015 97,8% der von den Ermittlungen umfassten Rohmilchmenge Ausschließlichkeitsbindungen unterlagen. Ferner ist über die Hälfte der Rohmilchmenge nur mit einem Vorlauf von mindestens zwei Jahren kündbar. Die effektive Kündigungsfrist kann sich darüber hinaus erheblich verlängern, weil 87,5% nur einmal im Jahr kündbar sind. Insgesamt führt dies zu einer erheblichen Marktberuhigung, die sich in niedrigen Wechselquoten niederschlägt. So lag die Wechselquote im Jahr 2015 nur bei 1,0% der gesamten Rohmilchmenge.
Die Milchindustrie, an vorderster Front die DMK. Die Deutsche Milchkontor GmbH (DMK) reagiert erbost mit einer Kampfansage. Der größten deutschen Molkerei schwimmen die Felle davon, 25 % ihrer Zulieferer haben bis Ende 2018 gekündigt. Die konsequente Antwort der Milcherzeuger auf die anhaltend schlechten Auszahlungspreise, besonders von den großen Molkereien. Molkerei Dino DMK bezog mit einer düsteren Vorhersagen Stellung: das «Kartellamt zerstöre den deutschen Milchmarkt». Die vorgeschlagenen Änderungen gingen an der Wirklichkeit der milcherzeugenden Landwirtschaft «meilenweit vorbei». Die Stellungnahme der DMK steht leider nicht mehr online zur Verfügung*. Die vom Kartellamt kritisierten Lieferbedingungen seien unabdingbar für das Überleben der bäuerlichen Milchwirtschaft. Die DMK spielt eine zentrale Rolle in dem Streit, der derzeit vom Bundeskartellamt noch als Musterverfahren gegen die größte deutsche Molkerei geführt wird.
*Liegt der Redaktion aber vor.
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