
Putenaufzucht in Deutschland, bzw. in der EU, ist zunächst mal schlicht schockierend: In 114 Betrieben wurden in D letztes Jahr 37 070 345 Truthühner gezüchtet (Quelle: statist. Bundesamt). Nur in 45 Betrieben davon geht es um kleinere Bestände, unter 2000 Tieren; wo man eventuell davon ausgehen kann, dass es den Vögeln gut geht, weil sie soweit wie möglich artgerecht heranwachsen.
Einer von ihnen ist Carsten Bauck, vom Bauckhof in Klein Süstedt in Niedersachsen. Erst sammelte er einige Jahre Erfahrung mit der herkömmlichen Putenmast, bis er das so einfach nicht mehr machen wollte: „Die zur Verfügung stehenden Hybridrassen sind einseitig auf Leistung wie beispielsweise Fleischansatz gezüchtet worden, ohne Rücksicht auf die Tiergesundheit,“ sagt Bauck. „Da kommt es dann leicht zu Problemen wie Pododermatitis (entzündete Füße), Erkrankung des Skelettes (durch das viel zu schwere Gewicht, eine zu große Brust), Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Verhaltensstörungen usw..“ Generell sind die Tiere überempfindlich und sehr krankheitsanfällig. Es fehlen robuste Putenrassen für die ökologische Geflügelhaltung. Also hat er die herkömmliche Putenzucht Anfang 2014 an den Nagel gehängt und ein bundesweit einzigartiges Forschungsobjekt angeschubst. Im Mai 2015 sind die ersten
„befiederten Briten“ eingezogen, Hockinhulls Bronze und Black, sowie Kellys BBB, 400 Puten – alle leider noch aus der Hybridzuchtindustrie*. Doch Carsten Bauck ist bereits mächtig stolz auf seine kollernden Nacktköpfe aus England. „Sie sind topfit und gesund! Jetzt suchen wir nur noch nach einer Genetik, die antibiotikafrei funktioniert.“ Der Bauckhof konnte eine Tierärztin von der Uni Kassel, für eine entsprechende Promotion gewinnen, die nun nach einer geeigneten Rasse für ökologische Haltungssysteme sucht. Bauck möchte sich und andere damit auch gleich unabhängig machen von den herkömmlichen Hybridzucht-Anbietern.
Die großen und ganz Großen Puten-Produzenten wirtschaften nach wie vor in erster Linie für den Profit. Eine gesetzliche Regellung für eine artgerechte Putenhaltung könnte dem Einhalt gebieten, doch die gibt es nicht. Diese Tiere sind somit in erster Linie Hybride – ein rücksichtslos profitables Gemisch aus viel Brust, unverhältnismäßig schnellem Wachstum und übermäßig viel Gewicht, z.B. die sogenannten BUT 6 der Fa. Aviagen. Die Firma wirbt sogar damit: Der europäische Maßstab für ertragreiche Fleischproduktion, und überdurchschnittliches Lebendgewicht. Man kann es bereits auf den Putenfotos der Fa. erkennen, die Tiere stehen wegen ihres Gewichtes schon sehr breitbeinig.
Tierschutzorganisationen sprechen dabei von Qualzuchten. Im Juli 2015 erreichte PETA den rechtskräftigen Strafbefehl gegen Putenmäster wie den Heidemark-Konzern und auch Putenmäster Dirk B. aus Großenkneten. Mit einer Geflügel-Charta 2015 versucht der Zentralverband der Geflügelindustrie die Wogen zu glätten und formuliert einfach Regeln vom gelebten Standard. Doch das Ergebnis sei hochgradig enttäuschend, fand Cornelie Jäger, Mitglied des Tierschutzausschusses der Bundestierärztekammer und Landesbeauftragte für Tierschutz in Baden-Württemberg. Die Industrie verpflichte sich darin faktisch zu nichts und mache keine Vorschläge, wie nachhaltig für mehr Tierwohl gesorgt werden könnte.
Die Tierrschutzorganisation Provieh beschreibt die überwiegende Situation der Puten in D als sehr beengt: „Fünf Hennen oder drei Hähne müssen sich ungefähr einen Quadratmeter teilen. Besatzdichten von 45 bis 58 kg pro Quadratmeter sind heute üblich. In einer solchen Bedrängnis können die Tiere ihr arteigenes, natürliches Verhalten nicht ausüben. Soziale Mindestabstände können nicht eingehalten und Rangstreitigkeiten nicht friedlich gelöst werden. Zudem stehen die Puten den gesamten Mastdurchgang auf feuchter, harter Einstreu in einer völlig reizarmen Umgebung. Die Folge sind Hackschläge, Federpicken und Kannibalismus. Um der hohen Verletzungsquote (und damit den wirtschaftlichen Verlusten) vorzubeugen, werden den Kücken die Schnäbel gekürzt. Das ist eine extrem schmerzhafte Amputation, denn Schnäbel sind als Tastorgane von Nerven durchzogen, wie in etwa unsere Fingerspitzen.“
Starke Verluste von etwa 10 % kalkulieren die Intensiv-Mäster von vorneherein mit ein, das sind ein paar tausend Tiere die pro Durchgang entsorgt werden. Viele sterben auch aus Angst. Die Tiere sind empfindlich und hochsensibel. Zu den Grundbedürfnissen von Puten gehören Sozialverhalten, Körperpflege, Ruheverhalten, verschiedene Bewegungsarten (z. B. Flattern, Laufen, Rennen) und diverse Techniken der Nahrungssuche und -aufnahme, wie Scharren, Ausgraben, Picken, Hacken und Jagen. Das Ausleben vieler Bedürfnisse ist unter den Bedingungen der Intensivmast kaum möglich, bei Carsten Bauck schon. Auf dem Bauckhof steht Ihnen ausreichend Auslauf zur Verfügung:
Noch kollern sie fröhlich vor sich hin, oder truten – Truthähne eben… doch Weihnachten geht’s auch Ihnen an den Kragen, in Baucks hauseigener Fleischmanufaktur. Dort werden die Tiere unter den versierten Augen von Herrn Arndt sanft und stressfrei „Fest-fertig“ gemacht. Puten sind eigentlich amerikanische Wüstenbewohner. In den Vereinigten Staaten kommen sie traditionell zum Erntedankfest auf den Tisch. Bei uns erfreut sich der große Vogel, nach der BSE Krise und diversen anderen Fleisch-Skandalen, ganzjährig wachsender Beliebtheit. Baucks-Öko-Vögel sind dieses Jahr zu Weihnachten leider schon ausverkauft. Auf dem Demeter-Bioland Hof werden aber auch noch: Hühner, Eier, Rindfleisch, Kartoffeln und Gemüse u.v.a.m. produziert und verkauft.

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