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Die Moderne, Alice Neel – auf den ersten Blick wirkt das gar nicht so. Auf den frühen Bildern sind sie alle ein wenig düster und streng. Wie kaum eine andere schafft Neel es aber den Personen Persönlichkeit einzuhauchen, vielleicht grade durch deren zeitweise recht grimmige Mimik. Ihre Bilder sind in ihrer frühen Phase fast ein wenig düster, betont durch starke Pinselstriche und dunkle Farben. Mit etwas Abstand wirken sie dann jedoch auch witzig; wie sie, fast akribisch die jeweiligen Persönlichkeiten fest gehalten hat. Zum Beispiel den speziellen Mr. Green von 1938. Sein Konterfei wird der neuen Sachlichkeit zugeordnet. Er war Neels Freund, besuchte sie öfter in Spanish Harlem und las dann ihren Söhnen aus den Märchen der Gebrüder Grimm vor.
Neel ist toll. Man entdeckt sie in ihren Bildern, in deren Genauigkeit sie sich spiegelt: eine Persönlichkeit mit Witz und Kraft, Charme, Elan und einer ganz gewissen Liebe zum Besonderen. Immer verät ein Detail auf ihren Bildern etwas einzigartiges über
die Person, wie auf dem Portrait ihrer Putzfrau Carmen, ihrer haitianischen Putzfrau und deren Baby Judy. Carmens rechte Hand malt Neel bewusst unverhältnismäßig groß. Mit ihrer normalen Hand versorgt sie ihre kleine Tochter, die sehr kleine Füße von Neel bekommt. Das Baby war krank, es konnte nicht stehen und überlebte das Portrait nicht lange.
Alice Neel führte ein äußerst bewegtes Leben. Als alleinerziehende Mutter und Mitglied der New Yorker Künstlerszene, ließ sie sich wenig entgehen. Sie hat sich nach oben „gepinselt“ und ist dabei doch auch sehr bodenständig geblieben. Sie war fast ein wenig rebellisch, selbst für die damals schon recht offene Zeit. Neel engagierte sich Zeit ihres Lebens politisch, sympathisierte mit dem Kommunismus und wurde zum Symbol der Frauenrechtsbewegung. Ihr Hauptwerk lebt von Inspirationen aus ihrer New Yorker Nachbarschaft, in Greenwich Village, Spanish Harlem und schließlich an der Upper West Side. Alice Neel hat zahlreiche
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Jackie Curtis and Rita Red, 1970 Öl auf Leinwand. The Cleveland Museum of Art, leonard C. Hanna, Jr. Fund 2009.345 © The Estate of Alice Neel
Mitglieder der Kulturszene New Yorks gemalt, unter anderem den Pop-Art-Künstler Andy Warhol, der dieses Bildnis von ihr als das beste von ihm je geschaffene bezeichnete. Das Porträt von Jackie Curtis und Rita Red ist eines ihrer bekanntesten Bilder. Es ist wohl eines ihrer ersten Portraits eines schwulen Paares und zeigt das freie Leben der Mitglieder von Andy Warhols Factory, a la Neel. Curtis wurde in Lou Reeds berühmtem Lied „Walk on the Wild Side“ erwähnt, und diese wilde Seite passt auch ganz hervorragend zu Neel, so Jeremy Lewison. Er ist als Berater für den Estate von Alice Neel tätig.
Neel, ist eine der wenigen Frauen in der Malerei die es in die Öffentlichkeit geschafft hat, als Malerin der Moderne und mit ihrer ganz eigenen Sicht auf die Menschen und die Dinge. Die umfangreiche Schau hat Jeremy Lewison kuratiert, einem führenden Experten für Neels Werk. »Bereits früh in ihrer Karriere hat Neel radikale, freimütige Aktporträts von Frauen und Männern gemalt, die sich stark von den Werken ihrer Zeitgenossen unterschieden. Mit einem besonderen Feingefühl gelang es ihr immer, den Zeitgeist einer Epoche einzufangen. Die Bilder zeigen klar wie Neel die Welt sieht Kritiker bemängelten ihren realistischen Stil als Rückkehr zum vorigen Jahrhundert. Schade, sie haben den Witz dahinter womöglich nicht verstanden.
Neel war in der Wahl ihrer Mittel nicht immer zimperlich. Das Portrait von John Perreaul, dem Kunstkritiker, Maler und Kurator entstand durch eine kleine Erpressung, in dem Neel des Kurators Wunsch konterkarierte. Perreault wollte das Aktportrait von Joe Gould für eine Ausstellung über männliche Nacktmodelle ausleihen. Neel erklärte sich unter der Bedingung bereit, dass sie zuvor ein Aktportrait von Perreault anfertige, welches ebenfalls in der Ausstellung gezeigt würde. Neel drapiert sich den flotten Maler wie Goya es in „La maja desnuda“ hundert Jahre früher gewagt hatte, mit einer Frau natürlich. Es könnte auch Manets „Olympia“ nachempfunden sein, auf alle Fälle wagte Neel sich damit in eine Männerdomäne: nackte Leute wurden damals fast ausschließlich von Männern
portraitiert. Zudem entstand das Bild in den siebzigern. Damals war Homosexualität noch strafbar. Das war Neel aber egal, sie machte bei Ihren Gemälden keinen Unterschied zwischen Hetero- und Homosexuellen. Fast genüßlich kostet sie ihre Macht beim Malen aus. „Immer, wenn ich vor einer Leinwand saß, war ich glücklich. Denn es war eine Welt, in der ICH tun konnte, was ich wollte,“ sagt Alice Neel 1980. Ihr Mut macht die Runde und gefällt.
Schon zu ihren Lebzeiten waren ihre Werke Inspiration für zahlreiche Künstlerinnen und Künstler. Zahlreiche Museen und private Sammler haben Leihgaben für die Ausstellung zur Verfügung gestellt, darunter das Museum of Modern Art, das Whitney Museum of American Art und das Metropolitan Museum of Art in New York, die Tate London sowie das Moderna Museet in Stockholm. Die für Hamburg um rund 40 Arbeiten erweiterte Ausstellung ist die vierte und letzte Station einer internationalen Ausstellungstournee, die vom Ateneum in Helsinki organisiert wurde.
Die Ausstellung beginnt mit der frühen Epoche ihrer Malerei, Portraits von durchweg einflussreichen Persönlichkeiten und weniger „wichtigen“ Menschen für die Öffentlichkeit – für Neel waren sie alle wichtig. Die Ausstellung hat grade angefangen und läuft noch bis Januar 2018 in den Link: Deichtorhallen.
Tags: Alice Neel - Künstlerin der Moderne