(Tony Rinaudo)
Wie das gehen kann, zeigt der australische Missionar und Landwirtschaftsexperte Tony Rinaudo. Er braucht nur ein einfaches Messer und die Kooperation der örtlichen Bauern, um selbst in extrem degradierten und trockenen Gebieten etwa Nigerias oder Äthiopiens wieder Bäume wachsen zu lassen. Dazu werden die unter der ausgedorrten Erde liegenden Wurzeln und Ausläufer gerodeter Bäume vor Viehfraß geschützt und beim Aufwachsen regelmäßig beschnitten. Rinaudo nennt seine Methode Farmer Managed Natural Regeneration (FMNR) und sagt: „Die Natur ist, obwohl wir sie als zerbrechlich wahrnehmen, sehr belastbar, und wenn man nicht immer mit dem Vorschlaghammer auf die Natur draufhaut, sondern mit der Natur arbeitet, dann erlebt sie ein Comeback.“ Kleinbauern wie Aster Tantu aus den äthiopischen Humbo-Bergen profitieren direkt von der Renaturierung. Die Mutter von sechs Kindern sagt: „Durch die Bäume haben wir mehr zu essen, wir können die Kinder zur Schule schicken, und es ist sogar kühler geworden.“Der Bergrücken von Humbo ist in wenigen Jahren wieder ergrünt, Wildtiere wie Affen, Hyänen, Leoparden und Gazellen sind zurückgekehrt, und inzwischen besuchen auch Touristen die Region. Mit Hilfe von Partnern wie World Vision verbreitet sich die FMNR-Methode inzwischen auch in zahlreichen weiteren Ländern. Die Aufforstung gibt den Menschen neue Perspektiven in ihrer Heimat – weswegen Forstexperte Winterbottom meint: „Das Ergrünen Afrikas kann ein wichtiger Faktor bei der Lösung der europäischen Flüchtlingskrise sein.“
Landschaften statt Parzellen
„Natürliche Regeneration ist kein Allheilmittel, sondern eine Ergänzung. Aber eine, die bislang oft übersehen oder vernachlässigt wurde“, bestätigt Manuel Guariguata, Forstexperte beim Center for International Forestry Research (CIFOR) in Lima, Peru. Dabei sollte man nicht alles über einen Kamm scheren und annehmen, dass man mit einer Methode überall flächendeckend Erfolg haben wird. Wenn das Geld fehlt oder der Boden schon zu ausgelaugt ist, dann ist es oftmals schwer, eine Regeneration der Wälder überhaupt nur zu versuchen. Deswegen plädieren Experten wie Guariguata für einen großflächigen Landschaftsansatz bei der Renaturierung: „Wir können dann verschiedene Methoden wie in einem Mosaik kombinieren und vielen verschiedenen Interessen Rechnung tragen.“ Ein solches Landschaftsmosaik enthält Schutzgebiete, Flächen mit natürlicher Regeneration, Agroforst-Systeme, also Bereiche, in denen unter den Bäumen Feldfrüchte wachsen, aber auch klassische Wiederaufforstung und Holzplantagen. „Dabei ist es wichtig, die Flächen mit Potenzial für natürliche Regeneration zu identifizieren, um die Ressourcen für Baumpflanzungen dort einzusetzen, wo sie auch wirklich gebraucht werden“, erläutert Guariguata.
Auf diese Weise können die natürliche Regeneration und das Pflanzen oder Aussäen von Bäumen Hand in Hand gehen. Jeder kleine Baustein zählt, denn selbst wenige, verstreut wachsende Bäume auf einer Viehweide sind ein Gewinn für die Artenvielfalt, wie eine neue Studie aus Brasilien belegt. Auch Jürgen Bauhus, Professor für Waldbau an der Universität Freiburg arbeitet in Brasilien. Mit seinen Partnern von der Universität São Paulo erprobt er, ob die Kombination von schnell wachsenden (exotischen) Eukalyptusbäumen mit einheimischen Baumarten die Aufforstung wirtschaftlich interessanter machen kann.
(Manuel Guariguata)
Natürliche Regeneration braucht ökologisches Knowhow, politische Anreize und nicht zuletzt soziale Akzeptanz. Ähnlich wie ein verwilderter Garten oder eine Brachfläche hier zu Lande den Unmut der Nachbarn erregen können, wird ein Bauer in den Tropen schnell schräg angeschaut, wenn er sein Land brach liegen lässt. Sich zurückzunehmen und den Prozess der natürlichen Regeneration geschehen zu lassen, scheint eine der schwierigsten Herausforderungen: „Manchmal entfernen Bauern, die ihre Flächen aufforsten wollen, natürliche Setzlinge, weil sie diese für Unkraut halten. Sie haben keine Ahnung, dass sie da gerade richtig wertvolle Baumarten ausreißen, die sich dort von selbst angesiedelt haben“, erzählt Robin Chazdon, Tropenökologin an der University of Connecticut, von ihren Erfahrungen in Lateinamerika.
Aufforstung und Naturschutz
Die Wiederherstellung von artenreichen Wäldern ist langwierig, kostspielig und komplex und kann überhaupt nur gelingen, wenn noch ausreichend große Restbestände der ursprünglichen Flora und Fauna übrig sind. Das Comeback der Wälder entbindet uns also nicht vom Schutz der letzten Urwaldreste. Immer noch verlieren wir jedes Jahr 18 Millionen Hektar Wald und damit unzählige Arten, die dabei unwiederbringlich aussterben. Darum betont Robin Chazdon: „Unser Ziel muss es sein, Naturschutz und Renaturierung ineinander zu verzahnen. Gerade in den Pufferzonen um Naturschutzgebiete oder zur Schaffung ökologischer Korridore zwischen Waldinseln sind Renaturierungsmaßnahmen sehr sinnvoll einsetzbar.“
Auch in Costa Rica gibt es noch vieles zu verbessern, aber die kleine zentralamerikanische Nation hat es geschafft, von einer Abholzungsnation zum Aufforstungsland zu werden. Grundstein des Erfolgs waren die richtigen politischen Weichenstellungen. So wurden Schutzgebiete ausgewiesen, Agrarsubventionen für die Umwandlung von Wald in Weideland zurückgefahren, der Wert der Wiederbewaldung anerkannt und Forschungsprojekte unterstützt. Inzwischen sind viele Wälder nachgewachsen, und der Ökotourismus ist eine der wirtschaftlichen Säulen des Landes. Das Comeback der Wälder muss also kein grüner Traum bleiben.
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