Voller Enthusiasmus sind die Milchbauern gestern vor das europäische Ratsgebäude gezogen, um sich in Brüssel Gehör zu verschaffen. Doch das Resultat ist niederschmetternd. Die Politiker haben wohl gar nicht richtig zugehört: „Wir wollen gar kein Geld,“ sagt ein BDM* Mitglied, „wir wollen politische Rahmenbedingungen, die eine Überproduktion in Krisenzeiten begrenzen kann. Doch statt dessen geben Sie uns Geld, das keinem hilft.“ Wenn die Milch weiter zu Schleuderpreisen auf den Markt gespült wird, dann helfen den Bauern auch einige hundert Millionen Euro nicht aus der Krise.
„Die 500 Mio. Euro sind für den Milchsektor in ganz Europa gedacht. Allerdings für verschiedenste Maßnahmen, welche nicht direkt den Milchbauern zugute kommen. Sie sind gedacht für die Erschließung von Märkten, die Verlängerung der Einlagerungszeiten für Überschüsse etc.,“ sagt Romuald Schaber, selber Milchviehhalter und Vorsitzender des BDM*.
Auch Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Habeck äußert starke Bedenken: „Die EU setzt die falschen Zeichen. Sie will die Verstärkung des Exportes. Das heißt nur, dass die Milch dann auch auf dem Weltmarkt verramscht wird. Höhere Preise erzielen die Erzeuger damit nicht, stattdessen wird die Politik „wachse oder weiche“ fortgesetzt, frei nach dem Motto „viel hilft viel“, sagte Habeck heute, am 8. September 2015.
„Die EU und der Bund erkennen immer noch nicht die Brisanz des Milchpreisverfalls an. Die vorgeschlagene Finanzhilfe bekämpft allenfalls die Symptome und ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir brauchen kurzfristig eine Reduzierung der Milchmenge, um die Märkte zu beruhigen“, sagte Habeck.
Er hatte sich am Freitag mit seinen grünen Amtskollegen aus den Ländern in einem offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt gewandt und vorgeschlagen, die Strafzahlungen aus dem letzten Jahr der Milchquote als Ausgleich für eine freiwillige Mengenreduzierung zu verwenden. „Der Bundeslandwirtschaftsminister hat es aber offenbar versäumt, sich für tatsächliche Verbesserungen einzusetzen. Das geht zu Lasten der Milchbauern“, sagte Habeck. Schleswig-Holstein ist aufgrund seiner geografischen Gegebenheiten einer der größten Milcherzeugungsproduzenten in Deutschland. Rund 4.500 Milcherzeuger produzieren hier 8 Millionen Kilogramm täglich. Bundesweit ist der deutsche Bedarf zu 120 % gedeckt. Es besteht also bereits eine Überproduktion die auch ökologisch bedenklich zu sehen ist.
„Durch den Einsatz von verhältnismäßig geringen finanziellen Mitteln wird über die Reduktion der Milchmenge ein Anstieg der Milchpreise um den Faktor 5-10 erreicht. Das hilft zunächst in erster Linie den Milchviehhaltern. Das Konzept könnte aber auch als Beispiel für den Schweinesektor dienen. Die bäuerlichen Betriebsstrukturen können erhalten werden. Es können auch in Zukunft gute Lebensmittel von den Bauern dezentral erzeugt werden. Der Wunsch der Bevölkerung nach mehr Tierwohl und andere Anforderungen können von den Betrieben geleistet werden, es käme also allen zugute“, sagt Romuald Schaber. Bereits am Anfang des Jahres bei der Grünen Woche wurde das Marktverantwortungsprogramm (MVP Link), ein Konzept zur Marktregulierung, vom European Milk Board (Link: EMB) vorgestellt. Es würde auch den Wünschen der Verbraucher Rechnung tragen. Hochleistungskühe würden in diesem Konzept keinen Sinn ergeben.
*BDM – Link: Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e.V.
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