Sie ist eine von 450 Muttersauen die ihre Freiheit auf der grünen Wiese genießt, während die eigene Rasselbande um sie herum tobt. Eine Woche vor ihrem Abferkel-Termin dürfen die Sauen von Christoph W. ins Aussengehege. Ab dann können sie sich mit ihren Ferkeln 40 Tage lang dort draußen tummeln. Genau so lange dauert ihre Säugezeit in diesem ökologischen Schweinezucht und -mastbetrieb. In der konventionellen Haltung werden die Ferkel schon nach 21 – 28 Tagen von ihrer Mutter abgesetzt. „Die Umstellung von Muttermilch auf Futter ist eine schwierige Phase,“ sagt Christoph W. . „Das neue Futter kann Durchfall verursachen.“ In seinem Betrieb kommen die Ferkel von der Mutter erstmal in eine Auffangstation wo sie unter besonderer Beobachtung und ganz entspannt umgestellt werden. Das sind entweder die Doppelboxen, mit je 80 Brüdern und Schwestern draußen, oder sie kommen in den überdachten Stall. Dort sind sie sicher vor Regen. Leider ist dort nicht genug Platz für alle. Die Doppelboxen sind arbeitsintensiver. Bei Regen muss mehr Stroh nachgelegt werden, um die Ferkel trocken zu legen. Zwei Monate bleiben sie in diesen „Kinderstuben“, dann werden sie an Öko-Mastbetriebe verkauft die keine eigene Zucht betreiben, wie z.B. Gut Wulksfelde. Sie wiegen zu dem Zeitpunkt meistens 30 kg und bringen im Verkauf 110,- bis 120,- €. Die Schweine die nicht verkauft werden kommen in den Bio-Maststall von Christoph W. . Dort gibt es immer noch genug Platz und raus können sie dort auch, nur nicht mehr ganz so viel rumtoben. An den modernen Futterstellen ist Selbstbedienung angesagt. Etwa drei Monate bleiben sie dort, dann kommen sie auch im Ökobetrieb zum Schlachter. Da gibt es bei konventioneller und biologischer Landwirtschaft keinen Unterschied, nach 160 bis maximal 195 Tagen ist Schluss. Die Schweine bringen dann so um die 120 kg auf die Waage.
Die Sauen die grade trächtig sind kommen in den Wartestall. Während sie vorne futtern, wird hinter Ihnen die Gülle weg geschoben, draußen aufgefangen und als Dünger auf die Felder gekippt. Auf diesem Betrieb ist alles gut durchdacht, hier geht nichts verloren.
Auch ein paar kranke Schweinchen leben hier. Sie kommen in eine sog. Krankenbox, dort können sie sich besser erholen als im allgemeinen Gedränge. „Das ist ganz normal. Wir haben ca. 2 % Verluste und etwa 2 % Kümmerer mit einem Nabelbruch oder anderen Problemen. Von den Kümmerern überlebt 1 %. Solange sie zunehmen lasse ich sie weiter leben, aber einen Gewinn habe ich durch sie nicht.“ Doch damit ist er ganz zufrieden. Bei einem ständigen Bestand von 3000 Tieren auf dem Hof ist das kein großer Verlust. Die Tiere sind auch kaum krank. „Wir betreiben einen hohen Impf- aufwand. Jedes Ferkel bekommt fünf Impfungen. Damit beugen wir dem Antibiotikaeinsatz gleich vor. Dabei wäre das Antibiotika erheblich günstiger, aber es ist ja eine Ökoschweineaufzucht. In der konventionellen Landwirtschaft bekommt man das nicht bezahlt.“ In diesem Betrieb sind die Schweine aber auch wegen der Freilandhaltung kaum krank.
Schon immer wollte Christoph W. Landwirt werden. 1999 war es dann endlich soweit; die Verpachtung lief aus und der elterliche Hof konnte wieder selbst bewirtschaftet werden. Mit 100 Sauen in Freilandhaltung fing er an, weil kein Geld für einen neuen Stall da war. Die Schweine fanden das natürlich toll. Auch Christoph W. gefiel das gut. 2007 stieg er sogar von konventioneller Ferkelerzeugung auf ökologische Produktion um: „Das hatte damals rein wirtschaftliche Gründe und der Aufwand hielt sich in Grenzen: die Futterumstellung und die Ausläufe mussten neu hergerichtet werden, beides zusammen für ca. 100.000,- DM. Dafür bekam ich dann viel mehr Geld für meine Schweine. Damals immerhin eine Differenz von ca. 40 DM pro Tier,“ sagt Christoph W. . Auch die Schweinezuchtlinie änderte er und stieg von Danzucht-Sauen auf Hypor um. Beides sind sog. Hybrid-Zuchtlinien, die mit gezielten Kreuzungsmethoden versuchen die Effizienz der Muttersauen zu steigern. Das wird z.T. überstrieben. Manche Sauen werden so hochgezüchtet, dass sie bis zu 34 Ferkel pro Wurf gebären; dabei haben sie nur 16 Zitzen, sie sind also für 16 Ferkel ausgelegt. Diese enormen Wurfgrößen sind für die meisten Sauen schwer zu verkraften. Ihre Gebärmutter ist auf derartige Kapazitäten gar nicht angelegt. Oder ihr Knochenbau verkraftet die überschnelle Gewichtszunahme nicht. „Die Hyporsauen sind robust und leichtgängig,“ erklärt W. . „Das heißt, sie haben gute Muttereigenschaften.“
Sobald er durchremontiert hat, durch den Zukauf von Hyporsauen, will er seine Muttersauen selber züchten mit Kreuzungen zwischen Deutscher Landrasse und deutschem Edelschwein. Viel vergrößern geht nicht, wegen der Flächenbegrenzung und er ist ja auch schon ein „Massenzüchter“. Das hört er nur nicht gerne. Zu oft fehlt ihm in der Berichterstattung der Bezug zur Realität. „Massenproduktion muss nicht negativ sein. Sie ist einfach nur praktisch. Wir bestellen das Zusatzfutter nur LKW-Zugweise. Da spare ich pro Sau und Jahr schon 60 bis 70 €. Auch beim Sperma oder dem Impfstoffeinkauf spare ich deutlich durch die Menge.“ Auf 80 ha leben immerhin 3000 Tiere, inklusive der 450 Muttersauen. Die Muttersauen belegen 160 Hütten, sie drehen auf 24 ha, das heißt, sie stehen wechselweise auf 8 ha. Immer im April ziehen alle Hütten um auf eine andere Wiese. Bei hohen Temperaturen im Sommer wird in den Hütten die hintere Wand hochgezogen, so dass die Tiere durch die natürliche Belüftung etwas Kühlung bekommen. Je nach Bedarf wird zusätzlich Wasser verteilt, wenn im Winter z.B. die Tränken zugefroren sind oder es im Sommer zu heiß wird.
Die Felder sind erstaunlich grün weil die Tiere Nasenringe tragen. „Dadurch wühlen sie nicht so doll, das ist wichtig, denn im Winter könnten sie sich sonst die Klauen auf dem zerklüfteten Boden verletzen. Außerdem bilden die Muttersauen gerne Kuhlen. Wenn die Ferkel da hinein kullern und die Muttersau legt sich auf sie drauf, könnte sie die Kleinen erdrücken.“ Diese Art das natürliche Wühlen der Schweine zu unterbinden, mit Nasenringen ist eine alte Tradition. In den vergangenen Jahren unterlag sie aber zunehmend der Kritik. „Das gilt nicht mehr als artgerechte Haltung. Die Freilandhaltung mit den Nasenringen ist also grade in einer Umbruchphase,“ erklärt Dipl. Ing. agr. Ulrich Ebert vom Kompetenzzentrum für ökologischen Landbau. Die Gefahr für die Ferkel müsste man dann eben mit häufigeren Kontrollen in den Hütten kontrollieren, meint er. Das würde das stringente Zeitmanagement des Betriebes erstmal durcheinander bringen. Im 14-tägigen Rythmus werden die Sauen besamt, die Ferkel geimpft, trächtige Sauen nach draußen verlegt usw., immer je 40 Schweine.
Die Wiese erscheint wie ein Campingplatz für Säue. Sie ist in Parzellen eingeteilt mit Draht. Da schlüpfen die Ferkel zwar hin und her, die Sauen aber belegen feste Hütten. „Sonst verliere ich ja den Überblick,“ sagt W.. Die gesamte Freilandhaltung ist zudem mit einem Wildschutzzaun eingezäunt; dazu noch einmal eine doppelte Einzäunung innerhalb des Wildschutzzaunes. So sind die Tiere geschützt vor einem Kontakt mit Wildschweinen oder anderen Tieren von außen die ggfs. Seuchen übertragen könnten. Auf dem ganzen Betrieb sieht es überhaupt nicht nach Massentierhaltung aus. In allen Ställen haben die Tiere viel Platz und immer Einstreu. Die Schweine sehen sauber aus und wirken quietschlebendig. Es ist einer von den leider eher noch seltenen Freilandhaltungs-Schweinezucht-Ökobetrieben. Im Jahr werden hier etwa 9000 Ferkel in die Welt gesetzt. Christoph W. bewirtschaftet den Hof zusammen mit seinem Bruder und noch einem Mitarbeiter. „Wir sind, glaub‘ ich, einer von den fünf größten Betriebe in Deutschland,“ sagt Christoph W. .
Es ist kein Streichelzoobetrieb. Sie produzieren viel mit viel mehr Aufwand, doch den Schweinen und den Ferkeln geht es deutlich besser als in herkömmlichen „Massenbetrieben“ und die Qualität ist auch eine ganz andere. Christoph W. produziert zwar auch en Masse, aber mit ‚Klasse‘! Zusätzlich verbraucht sein Betrieb wesentlich weniger Energie als ein konventioneller Betrieb gleicher Größenordnung.
Tags: Ferkelzucht in Freilandhaltung