Fast täglich schnallt sich Elena Martens ihre mobile Käserei Huckepack und fährt quer durch die nördlichen Bundesländer zu ihren Kunden. Mitten in der Milchkrise hat sie, in diesem hart umkämpften Markt, eine fette Marktlücke entdeckt. Mit keckem Häubchen à la Witwe Bolte, langer Schürze, die Ärmel bis zum Ellenbogen hochgekrempelt, derart hygienetauglich verpackt steht Elena Martens vor ihrem tausend Liter Rohmilchbottich. Akribisch beobachtet sie wie sich die cremige Flüssigkeit langsam verwandelt. Dabei taucht sie ihre Hände immer wieder ein, in das weiße, sahnige Kälberglück, greift sich ein paar der geronnenen Stückchen, reibt sie sorgfältig zwischen den Fingern und prüft die Konsistenz. „Das fühlt sich zu gut an,“ schwärmt sie, „so weich und trotzdem fest, ich kann die Entwicklung des Käsebruches schon spüren.“ Martens hat eine Milcheiweißallergie. Essen kann sie Milch und Käse nicht, aber sie hat genau das richtige Fingerspitzengefühl. Die zierliche Deutsch-Russin veredelt Rohmilch zu Käse auf knapp zwölf Quadratmetern in ihrem Anhänger. Sie ist Deutschlands jüngste, mobile Käserin und das läuft nach nur einem Jahr schon wie geschmiert. „Mein Mann arbeitet bereits mit, obwohl er das noch gar nicht wollte“, erzählt sie, „wir sind voll ausgelastet!“
Ottmar Ilchmann, Milchviehbauer und stellvertretender Bundesvorsitzender der AbL, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V., wundert das gar nicht: „Viele Landwirte suchen grade in der Krise nach neuen Möglichkeiten ihre Milch ohne die Molkereien zu verkaufen, zum Beispiel mit Milchtankstellen. Käsen ist für bäuerliche Betriebe eine weitere Chance, um eine bessere Wertschöpfung für ihre Milch zu erzielen und so ihre Betriebe zu erhalten.“
Milchbauer Jörn Sierck und seine Frau Gunda sind Kunden der ersten Stunde bei Martens. Sie haben vor sechs Jahren auch schon damit angefangen einen Teil ihrer Milch selbst zu vermarkten. Damals galt noch die Milchquotenregelung. Danach durfte jeder Milchbauer nur mit einer zugeteilten Menge Milch wirtschaften, der sogenannten Quote. „Nach der Milchkrise 2008, hab’ ich fünfzehn Kühe verkauft. So hab’ ich meine Milchmenge gesenkt und damit Quote für die Direktvermarktung gewonnen,“ erklärt Jörn Sierck.
Nach dem Fall der Milchquote in 2015 gab es keine feste Kalkulationsgröße mehr für die Molkereien, in Bezug auf die Anliefermenge. Dazu sollen in dem Jahr noch große Abnehmermärkte wie China und Russland weggebrochen sein, wodurch die Preise in den Keller purzelten.
Elenas Lust auf das „weiße Gold“ fing lange vor den Krisen in der Milchwirtschaft an. Damals lebte sie in Sibirien, in der Nähe von Omsk. Kurz vor ihrer Umsiedlung nach Deutschland verbrachte sie ihre Sommerferien auf dem Bauernhof Ihrer Tante und melkte dort deren eine Kuh per Hand. „Ich war elf Jahre alt, saß alleine vor der Kuh auf einem Schemel und versuchte die Milch aus den Zitzen in den Eimer zu zielen, den ich zwischen meinen Knien balancierte. Das war schwer, aber ich tat nichts lieber als das!“
Jahre später in Niedersachsen verwandelte die Aussiedlerin ihre Küche peu à peu in eine Meierei. Sie tüftelte sie so lange herum, bis sie aus Rohmilch einen Käse „zaubern“ konnte, der auch ihrem Mann Eduard, einem kräftigen Aussiedler aus Kasachstan, und ihren vier Kindern gut schmeckte. „Nur meine mittlere Tochter bevorzugt noch den Industrie-Käse“, meint sie, „der Rest mag meinen handgefertigten Rohmilchkäse viel lieber.“ Aber das reichte ihr noch nicht.
Mit Mitte 30 fängt Martens eine Ausbildung zur Käserin auf einem milchver-arbeitenden Bauernhof bei Stade an. Unter fachgerechter Anleitung verkäst sie dort die Milch von Kühen und Ziegen. Sie ist fast fertig mit der Ausbildung, da hört sie von den mobilen Käsereien. Zuhause begeistert sie ihren Mann davon. Beide stürzen sich voller Elan in Recherche, Planung und Umsetzung. Elena kauft einen leeren Anhänger und einen gebrauchten 1000 Liter Edelstahlkessel. Zusammen mit Familie und Freunden bauen, schweißen und zimmern sie in ihrer Freizeit Elenas mobile Käserei zusammen. Dazu mietet sie noch einen Lagerraum an, für Käsepflege und -reifung. Die „Vorbereitungen“ läppern sich zu 60.000 € Vorlaufkosten, was nicht viel ist, meint Martens, weil sie fast alles selber machen. Normalerweise kosten diese ganzen Sonderanfertigungen mehr als das Doppelte.
„Eine eigene Käserei erfordert hohe Investitionen. Deshalb ist es gut, dass mobile Käsereien den Bauern einen günstigen Einstieg in die Käseerzeugung ermöglichen,“ stellt Ilchmann, von der AbL, pragmatisch fest. Landwirte benötigen ihre Gelder häufig für andere Investitionen, wie Milchbauer Sierck in Schleswig Holstein: „Nach dem Verkauf der Kühe hab ich meinen Viehbestand langsam wieder aufgestockt. Dann konnten wir etwas mehr Milch produzieren. woraus meine Frau dann Joghurt und Butter gewann,“ erzählt Jörn Sierck. Er kümmert sich um die Milchproduktion. Seine Frau Gunda hat die Direktvermarktung aufgebaut. „Damals hieß es, der Käsemarkt sei übersättigt. Deswegen haben wir mit Butter und Joghurt angefangen,“ erklärt Gunda Sierck, „außerdem fehlt mir das Know-how und die Ausstattung für’s käsen.“
Nach sechs Monaten ist Elenas kleine Käserei fertig, mit sogenannter Hygiene-schleuse, einem Vorraum mit Mini-Waschbecken und Reinigungsutensilien. Gleich dahinter ist das Herzstück der Produktion eingebaut, der große Edelstahlkessel mit dem Rührwerk darüber. Zusammen sieht es aus wie eine riesige Küchenmaschine. Über den Thermostat, rechts an der Wand, regelt Elena die Temperatur der Milch, je nach gewünschter Käsesorte, für Gouda 32 Grad, für Bergkäse 39 Grad. Eine Pumpe und ein Abfülltisch für die Käserohlinge komplettieren die Einrichtung. „Es passt grade alles so, dass man auch alleine damit auf die Höfe fahren kann ,“ sagt sie.
Ende August 2015 besteht Elena die Hygieneprüfung beim Amtsveterinär von Stade. Sie bekommt die EU-Zulassung und den Gewerbeschein. Endlich kann sie starten. Sie akquiriert zunächst Landwirte die schon Teile ihrer Milch direkt vermarkten, wie die Siercks mit ihrer Hausmeierei „Geestfrisch“. Schnell spricht sich Martens Dienstleistung rum und es läuft von allein. Der Ablauf ist immer gleich, nur die Entfernungen und die Höfe differieren.
Morgens um 4:30h Uhr fährt Martens zuhause in Stade los. Draußen ist es meist dunkel und die Kinder schlafen noch. Ihr Mann Eddi, seit April 2016 bei ihr angestellt, macht auf der Rückbank noch ein Nickerchen, während Elena sicher durch die Nacht steuert. Gut 260 km weiter, gegen sieben Uhr, fahren sie bei der Meierei Geestfrisch in Kropp, auf den Hof der Siercks. Hofhund „Lotta“, eine temperamentvolle Berner Sennen Hündin, bellt empört: „Sie mag immer noch keine großen Autos,“ ruft die Hausherrin, Gunda Sierck, und kommt lächelnd näher.
Zusammen schleppen die Bäuerin und Elena die Käselaibe von der letzten Produktion in den Hofladen vis à vis. Martens hat aus 1000 Liter Rohmilch 24 Bergkäse hergestellt, à 4,5 Kg pro Rad. Einige davon landen gleich im Verkaufstresen, ein paar veredelt Gunda Sierck nach eigenem Geschmack weiter, mit Blumen oder Kräutern, und der Rest wandert in die Vorratskammer. „Der Hof Käse fehlte uns noch im Sortiment ,“ meint Sie. „Von Frau Martens bekomme ich ihn so wie ich ihn will, von der Milch unserer Kühe und schön frisch. „Wir möchten keine anonyme Agrarfabrik sein. Unsere Kunden sollen wissen, woher ihre Milch kommt,“ sagt Sierck.
Ottmar Ilchmann, von der AbL findet das gut: „Das ist gut für unser Image. Außerdem macht die Direktvermarktung die Bauern auch ein Stück weit unabhängig von den globalen Märkten für Massenprodukte.“ Sie nähmen als Unternehmer die Vermarktung in regionalen Strukturen wieder selbst in die Hand und erreichen dadurch neben besseren Einkommen auch noch eine gute Vernetzung mit ihren Kunden.
Der Hänger hat eine Größe, womit er praktisch auf jeden Hof schön nah an den Milchtank heran passt. Eddie schließt zügig alle erforderlichen Kabel und Schläuche an, während Jörn Sierck noch dabei ist die letzten seiner 80 „Mitarbeiter“ zu Ende zu melken. Die rotbunten Kühe gelten auf Hof Fuhlreit als Arbeitskräfte. Draußen wird es langsam hell, als die frisch gemolkene Milch über eine Leitung von Siercks Milchtank in Elenas Riesenbottich plätschert, genau tausend Liter.
Das Bauern überhaupt Milch für Käse und Joghurt abzwacken können sei gar nicht selbstverständlich, erklärt der Milchbauer von der AbL, Ottmar Ilchmann: „Nach den Lieferordnungen der allermeisten Genossenschaftsmolkereien haben Bauern eine Andienungspflicht, müssen also ihre gesamte Milch von ihrer Molkerei abholen lassen.“ „Der Preis für die Milch wird aber erst festgelegt nach Andienung der Milch,“ bemerkt Jörn Sierck. Andienungspflicht und Abnahmegarantie stamme aus den 30iger Jahren und würde den Forderungen der Landwirte nach Teilnahme am Markt nicht mehr gerecht. Sie müsse ersetzt werden durch Kaufverträge zwischen Landwirten und Molkereien in denen auch der Preis festgehalten würde. „Jetzt bedeutet es für alle Bauern eine ständige Planungsunsicherheit. Und wenn die Bauern kündigen, dann kommen sie leicht vom Regen in die Traufe,“ empört sich Sierck. Sie bekämen vermutlich Schwierigkeiten eine neue Molkerei zu finden. Die Molkereien seien zu groß und mächtig geworden. Dabei sei oft auch der Genossenschaftsgedanke in die Milch gefallen und ins Gegenteil verkehrt. „Die Molkereien haben fast schon Strukturen wie Aktiengesellschaften. Die, die oben sitzen haben gar kein Interesse mehr an den Bauern, sondern nur noch an der Massenanfertigung des Produktes,“ erklärt Sierck.
Auf Hof Fuhlreit haben sich die Siercks schon vor acht Jahren gegen die industrielle Produktion entschieden. Ein Drittel vermarkten sie inzwischen direkt. Dementsprechend geht dort alles recht entspannt seinen Gang. Vor dem Hänger hat sich der Hund beruhigt. Zwei grau getigerte Katzen schleichen umher und die Mitarbeiterinnen der hofeigenen kleinen Molkerei füllen grade leckeren Zimt-Pflaumen Joghurt ab.
Elena bekommt von dem bunten Treiben um sie herum rein gar nichts mit. Ihr Arbeitsplatz ist komplett fensterlos und die Türen bleiben meist geschlossen: „Die Milch ist äußerst sensibel, wenn sie sich erschreckt, also abkühlt, stimmt die Säuerung nicht mehr.“
Heute gerät die Produktion aus anderen Gründen etwas in Verzug. Sierck hat vergessen die normale Kühlung im Milchtank abzustellen. Zwei Drittel seiner Milch liefert er weiter an eine kleine Molkerei. Da die nur alle zwei Tage zum abholen kommen, muss die Rohmilch auf sechs Grad runter gekühlt werden. So können sich die Keime, die naturgegeben in der Milch vorhanden sind, gar nicht erst vermehren. Für Elena ist die Milch nun aber zehn Grad zu kalt. „Ich kann sie nur langsam erwärmen, sonst setzt sie unten an,“ sagt sie resigniert. Etwa 50 Minuten gehen ihr dadurch verloren.
Fast hypnotisierend kreiselt das Lebensmittelthermometer um den Rührstab auf der Milch herum. Langsam steigt die Temperatur an, in der Milch und auch in dem kleinen Raum. „Manchmal sind hier drinnen bis zu 40 Grad“, stöhnt Eddi, der nebenbei die Geräte kontrolliert. Kleine Schweißperlen sind ihm auf der Stirn gewachsen. Als die Milch endlich die erforderliche Temperatur für die Goudaherstellung erreicht hat, fügt Lena Milchsäurebakterien hinzu. Sie sollen die Gerinnung fördern. Das dauert etwa eine Stunde, Zeit die Martens für die Protokollführung nutzt. Damit kann sie die Rückverfolgbarkeit ihrer Produkte garantieren.
Als nächstes rührt Martens das Kälberlab* unter. Die Enzyme aus dem Magen besonders junger Kälber, die das leider nicht überleben, sorgen für die perfekte Zersetzung des Milcheiweißes. Sie geben der Milch in etwa 45 Minuten eine andere Konsistenz. Dann kommt die Käseharfe zum Einsatz. Das Gerät sieht aus wie eine riesige schmale Harfe mit vielen feinen Drähten.
Die Oberarmmuskeln angespannt durchfurcht Elena damit immer wieder kraftvoll die angedickte Milch, bis lauter kleine Stückchen sichtbar werden, der Käsebruch. Dann stellt sie das Rührwerk an: „Die Stücke dürfen nicht verkleben, sonst kann die Molke nicht mehr richtig abfließen. Das muss sie aber, sonst gibt’s ’ne Riesensauerei.“ Wenn die Molke nicht abfließt, stimmt der Säuerungsprozess nicht mehr. „Der Käse wird matschig, nass, trocknet nicht und dann ist die Qualität nicht mehr zu retten,“ erklärt Elena. Doch Martens ist zufrieden. Die grünlich-gelbliche Restflüssigkeit, die Molke, setzt sich von dem leicht süßlichen Milchbruch wie gewünscht ab.
Das gute Ergebnis hängt auch mit der Fütterung der Kühe zusammen. Bei Siercks ist die saisonal unterschiedlich. „Im Sommer entsteht natürlich Weidemilch weil die Kühe meistens draußen sind. Im Winter fressen unsere Kühe selbst produziertes Kraftfutter und Silage,“ erklärt Gunda Sierck. Dementsprechend unterschiedlich schmecke auch der Käse.
Die Molke ist nun größtenteils abgeflossen. Geschickt und schnell füllt Elena die geronnene Milch in die perforierten Käseformen bis der Kessel komplett leer ist. Durch die Löcher kann die Restmolke abfließen und der Käse-Pudding an Form und Festigkeit gewinnen. Eddi wendet ihn schon. Das passiert ungefähr fünf Mal, damit der junge Käse fest genug ist für den Transport ins Lager.
Für einmal Käsen mit allem drum und dran braucht Elena gut fünf Stunden pro tausend Liter. „Dafür berechne ich dann, je nach Entfernung, 0,69 Cent pro Liter Milch für den Gouda; für den Bergkäse etwas mehr, weil er doppelt so lange bei mir lagert und mehr Arbeit macht,“ sagt die Milchveredlerin.
Nach der Arbeit auf dem Hof geht es zurück nach Stade wo die Käse-Neulinge sofort ins Salzlake-Bad kommen. Ein bis zwei Tagen später beginnt Elena dann mit der Spezialpflege. Ihre „Goldstücke“ bekommen tägliche Streicheleinheiten aus einem Gemisch von Rotschmiere Bakterien, Salzlake und Wasser. Nach etwa sechs Wochen ist der Gouda tafelfertig „gestreichelt“ und geht zurück an seinen Eigentümer. Der Bergkäse muss länger gepflegt werden. Er kommt erst nach drei Monaten auf seinen Heimathof zurück. Da kommt’s schon mal zu Stau im Lager. „Fast fünftausend Kilogramm Käse lagern wir mitunter,“ sagt Martens. Das passe grade noch eben, aber sie platzen schon aus allen Nähten. „Wir haben dieses Jahr schon 217 000 Liter Milch verkäst,“ ergänzt ihr Mann stolz. „Dafür fahren wir jeden Monat so um die sechstausend Kilometer.“ Sie haben 34 Stammkunden die sie turnusmäßig besuchen.
Inzwischen gewinnt Elena auch Landwirte als Kunden, die ganz neu in die Direktvermarktung einsteigen wollen, und das, obwohl die Bauern wegen der Andienungspflicht an die Genossenschaftsmolkereien eigentlich keine Milch zur Verfügung haben. Aktuell werden rund 70 %** der in Deutschland gemolkenen Milch von Genossenschaftsmolkereien verarbeitet und vertrieben. Deren Milchlieferordnungen beinhalten die besagte Andienungspflicht.
Oft erlauben aber Molkereien ihren Lieferanten Ausnahmen von dieser Regelung, so Ilchmann. „Die durch mobile Käsereien oder auch durch Milchtankstellen verloren gehenden Milchmengen sind natürlich Peanuts für die Molkereien,“ sagt der stellvertretende Geschäftsführer der AbL. „Es geht wohl eher um Kontrolle über den gesamten Sektor und darum, dass es für die Molkereien „peinlich“ ist, wenn Bauern durch Eigeninitiative wesentlich höhere Wertschöpfungen erzielen als ihre Molkereien sie erwirtschaften können.“
Ohnehin stehen die antiquierten Lieferordnungen aktuell in der Kritik, weil sie die Bauern stark benachteiligen und sogar das Kartellamt durchleuchtet am Beispiel der größten deutschen Molkerei, dem DMK diese Strukturen.“
Seit April läuft beim Bundeskartellamt ein Verwaltungsverfahren, welches die von den Molkereien gegenüber den Landwirten aufgestellten Lieferbedingungen von Rohmilch zu überprüft.*** Kartellamtssprecher Michael Detering: „Die vermutete Wettbewerbsbeschränkung ist kartellrechtlich als bedenklich anzusehen. Die Landwirte sind an die Preise der Molkerei durch die Andienungspflicht gebunden. Sie können ihre Milch also nicht auf dem freien Markt verkaufen, wegen der besagten Andienungsregel.“ Ob die „interne“ Preisbindung gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, versucht das Bundeskartellamt gerade heraus zu finden. Sie untersucht dafür die Verträge zwischen Bauern und dem DMK, dem Deutschen Milchkontor GmbH. Das DMK gilt als größte Deutsche Genossenschaftsmolkerei und wollte sich selbst dazu nicht äußern.
Eckhard Heuser, der Geschäftsführer vom Milchindustrie-Verband e.V. MIV, sieht die Problematik nicht: „Die Andienungspflicht ist ja nicht Gesetz. Das sind und bleiben homöopathisch kleine Mengen.“ Heuser richtet sein Augenmerk mehr auf CETA, das Handelsabkommen mit Kanada, und hofft auf damit verbundene Gewinne mit erheblichen Produktionssteigerungen. „Klar wollen wir mehr exportieren. „CETA“-Milchmenge ist so groß wie Bayern, von der Kopfzahl natürlich interessant.“
Die Landwirte Ilchmann und Sierck wollen Planungssicherheit, sagen sie. Verträge sollen gelieferte Menge, Qualität, Lieferzeitraum und Preis festlegen. Damit das gesamte Risiko der Produktion, wie Kostensteigerungen, Wetterprobleme, Tiergesundheit, politische Rahmenbedingungen überschaubar bliebe. Ilchmann: „Es geht darum, nicht einfach ins Blaue hinein möglichst hohe Mengen zu produzieren, sondern vor der Erzeugung Sicherheit über die absetzbare Menge und den Preis zu haben.“
So wie bei der Milchveredlerin. Elena Martens expandiert entsprechend der Nachfrage. Für die Pflege ihrer ganzen „Goldstücke“ hat sie nun drei Angestellte und ihr nächster mobiler Käse-Flitzer steht auch schon in den Startlöchern. Der wird in NRW seine Dienste zur Verfügung stellen, weil sie auch da schon Kunden hat, sobald das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, kurz LANUV, ihr die Zulassung erteilt hat…
* Das Kälberlab funktioniert am besten bei Kälbern im Alter bis zu etwa zehn Tagen. Sie haben das Enzym in ihrem Lab-Magen zur besseren Verdauung. In Deutschland tötet man so junge Kälber nicht, das Lab kommt daher fast immer aus Neuseeland. Quelle: IT-Ingredients, einer Firma die mit Milchprodukten handelt. Die Dicklegung der Milch funktioniert auch mit mikrobiellem Lab, das aus bestimmten Pilzen gewonnen wird, aber das soll dem Käse einen etwas bitteren Geschmack geben. Die dritte Möglichkeit bietet gentechnisches Lab. Welches Lab verwendet wurde, steht zum Teil auf den Verpackungen drauf.
**Quelle http://www.europeanmilkboard.org/fileadmin/Dokumente/Positions_EMB/12-02_Positions/Genossenschaften.pdf S.25 oben
http://www.rlv.de/fileadmin/user_upload/DBV-Position_Lieferbeziehungen.pdf
***https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2016/21_04_2016_Milch.html
Tags: DMK Strukturen Elena Martens Kälberlab Lab Milch Milch und Genossenschaften mobile Käserei